Sind Hochbegabte schwierige Mitarbeiter?

Sind Hochbegabte schwierige Mitarbeiter?

Sind Hochbegabte schwierige Mitarbeiter? Ein neuer Blogbeitrag von Roland Scherer

Gerade habe ich im Internet einen Artikel über Hochbegabte als Mitarbeiter gelesen. Der Artikel selbst war recht kenntnisreich und wenig reißerisch geschrieben. Die Kommentare allerdings haben mich an die Worte eines Lehrers erinnert: „Seien Sie froh, wenn Ihr Kind nicht hochbegabt ist, die sind alle irgendwie sonderbar!“ Da merkte man schon: Intelligente Kinder würden es bei ihm nicht leicht haben.

In den Kommentaren wurde über „sogenannte“ Hochbegabte hergezogen, die keinerlei soziale Kompetenz besäßen, die unverschämt seien, rechthaberisch und besserwisserisch. Die doch erst einmal ihre Arbeit tun sollten – andere Vorwürfe waren noch weiter unterhalb der Gürtellinie.

Keine Angst vor Hochbegabung

Man könnte jetzt natürlich zurückgiften in der Form: Vielleicht sind Hochbegabte rechthaberisch, weil sie recht haben und besserwisserisch, weil sie es wirklich besser wissen, doch damit wäre niemand geholfen. Aus den Kommentaren sprach die blanke Angst, Neid und Unverständnis.

Zunächst einmal: Hochbegabung heißt nicht Inselbegabung. Es ist die Bezeichnung für Menschen, die in Tests den Intelligenzquotient betreffend außergewöhnlich gut abschneiden und einen IQ über 130 Punkten haben. Der Durchschnitt liegt bei 100, 130 Punkte haben nur 2% der Menschen, und das sagt nur etwas darüber aus, wie schnell und ausdauernd diese Menschen logische Schlüsse ziehen können. Die soziale Verträglichkeit, die Begabung, auswendig zu lernen oder die Fähigkeit Klavier spielen zu können wird nicht betrachtet. Es sagt auch wenig über das Wissen eines Menschen aus.

Die typische Hochbegabten-Karriere

Hochbegabte haben auch oft wenig befriedigende Schulnoten. Das liegt zum Einen daran, dass sie bei Lehrern nicht besonders beliebt sind – sie widersprechen und haben dann oft auch noch Recht – zum anderen aber auch an ihrer mangelnden Begabung zum Bulimielernen. Außerdem langweilen sie sich, wenn sie nicht schnell genug neuen Input bekommen. Sie neigen dann zu Tagträumereien und hängen ab.

Im Studium leben sie dann auf, sofern ihr Studiengang noch nicht total verschult ist und ihnen noch Raum für eigenes Denken lässt.

Soziale Begabung

Hochbegabte machen im Umgang mit Anderen oft frustrierende Erfahrungen. Sie überfordern Andere mit ihren Schilderungen, ja sogar ihre Witze werden nicht verstanden. Ihr Arbeitstempo lässt sie als Streber erscheinen, und allzu oft werden sie aus Angst und Neid gemobbt und ausgegrenzt. So tarnen sie sich, schweigen und langweilen sich.

Hochbegabte im Berufleben

Der Autor des oben genannten Artikels behauptet, Hochbegabte würden zu ihrem Vorgesetzten gehen und sagen: „Chef, ich langweile mich!“ Meiner Meinung nach kommt das nicht vor, denn es würde sie enttarnen. Außerdem haben sie oft das Gefühl zu wenig zu leisten, den Grund dafür habe ich in meinem Artikel über Inkompetenz beschrieben.

Was allerdings durchaus passieren kann, ist, dass Hochbegabte die Schwachstellen einer Planung sehr schnell erkennen. Wenn sie dann nicht den Mund halten, werden sie schnell als „Bedenkenträger“ und „Querulanten“ bezeichnet. Sollte der Plan dann tatsächlich in die Hose gehen, wem glauben Sie, wird die Schuld gegeben?

Die allermeisten Hochbegabten machen keine Karriere in der Linie. Sie interessieren sich mehr für Fachfragen als für Führungsaufgaben, vorwärts kommen sie nur in der Fachlaufbahn oder als informelle Führer. Kommt allerdings zur Hochbegabung Ehrgeiz, soziale Intelligenz und eine Prise manipulativer Begabung hinzu, dann treten Sie besser zur Seite. Dieser Mitarbeiter wird sehr schnell an Ihnen vorbeiziehen. Aber solche Menschen sind selten.

Die meisten Hochbegabten fühlen sich schon aufgrund ihrer Selbstzweifel in einer Führungsposition nicht besonders wohl. Ich will zwar nicht sagen, dass die sogenannten Leistungsträger, also die Mitarbeiter, die für eine Karriere vorgesehen sind, nicht intelligent seien, aber ein leicht überdurchschnittlicher IQ reicht dafür durchaus. Von ihnen werden andere Begabungen erwartet.

Hochbegabte als Mitarbeiter

Was machen Sie als Führungskraft nun mit einem hochbegabten Mitarbeiter? Leider werden Sie ihn selten als solchen erkennen. Oft weiß er es selbst nicht, wundert sich nur, warum andere so schwer von Begriff sind. Selbst wenn er es weiß, wird er sich aufgrund schlechter Erfahrungen gut zu tarnen wissen. Schauen Sie also genau hin, vielleicht entdecken Sie unter Ihren Mitarbeitern doch eine solche Ausnahme.

Wenn Sie ihn erkannt haben, bitte outen Sie ihn nicht – er hatte seine Gründe zu schweigen. Sie brauchen aber auch keine Angst vor ihm haben. Wenn Sie ihn nicht bloßstellen, wird er Sie nicht bekämpfen. Wie gesagt, die wenigsten haben Interesse an einer klassischen Karriere.

Tun Sie sich selbst und ihm den Gefallen und geben Sie ihm intellektuell herausfordernde Aufgaben. Lassen Sie ihn Neues ausprobieren. Hören Sie auf seine Bedenken – es könnte etwas dran sein. Achten Sie besonders bei ihm darauf, ob er zum Opfer von Ausgrenzung und Mobbing wird. Wenn er dadurch innerlich kündigt, würden Sie einen hervorragenden Mitarbeiter verlieren. Und wenn seine Arbeitsleistung nachlässt, fragen Sie sich, ob er sich langweilt. Sorgen Sie schließlich dafür, dass er eine Fachlaufbahn einschlagen kann, wenn er sich dafür interessiert.

Fazit

Hochbegabte sind keine Allzweckwaffe. Sie sind zwar besonders intelligent – also fähig, logische Schlüsse zu ziehen und Zusammenhänge schnell zu begreifen – haben aber ansonsten durchaus ihre Schwachpunkte. Die Intelligenz ist nur eine von vielen möglichen Stärken und kein Grund, Hochbegabte zu fürchten oder auszugrenzen. Machen Sie es, wie Sie es hoffentlich bei jedem Mitarbeiter tun: Setzen Sie ihn seiner Begabung entsprechend ein.

Es gibt auch unter Hochbegabten, wie unter jeder Gruppe von Menschen, A…Löcher. Aber lassen Sie sich nicht einreden, jeder Hochbegabte sei ein solches.

PS: Im Sinne der Lesbarkeit habe ich diesen Artikel nicht „gegendert“, wohl wissend, dass es mindestens genauso viele weibliche wie männliche Hochbegabte gibt. Nur zur Erinnerung, meine Herren: Nur weil eine Frau hübsch und blond ist, ist sie nicht blöd!

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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