Lügen haben kurze Beine ...

Lügen haben kurze Beine …

Das Sprichwort hat immer noch seine Gültigkeit: Wer lügt und betrügt, muss sich sehr anstrengen, um nicht entdeckt zu werden. Doch trotz aller Anstrengung lässt sich auf die Dauer keine Schweinerei verbergen. Große und mächtige Organisationen haben selbstverständlich mehr Möglichkeiten, Beweise verschwinden zu lassen und deshalb dauert die Entdeckung länger. Aber der Aufwand an Verhandlungen und Schmiergeld übersteigt schließlich den Gewinn und verhindern lässt sich die Aufklärung nicht. Sogar der Betrug um die Konstantinische Schenkung ist schließlich aufgedeckt worden, der Vatikan musste die erschwindelten Ländereien zurückgeben.

So kann man letztlich auch jede Verschwörungstheorie widerlegen: Eine Verschwörung lässt sich nicht beliebig lange verbergen, vor allem, wenn es viele Mitwisser gibt. Die NASA hat ganz sicher einige Astronauten auf den Mond geschickt, und die Missionen waren erfolgreich. Tausende von Mitarbeitern lassen sich nicht jahrzehntelang ruhig stellen, und die UdSSR hätte sicher auch nicht stillgehalten.

Dass der Aufwand zur Verdeckung von Lügen immer größer wird, konnte ich bei einem ehemaligen Kollegen beobachten. Egal, wie spät es auch beim Kunden geworden war, er ist immer noch einmal in die Firma gefahren und hat die Post durchgesehen. (Heute würde er seine E-Mails checken und wäre 7/24 erreichbar.) Als er dann die Firma verlassen hatte, wurde klar, warum er so „pflichtbewusst“ war: er musste seine Leichen wieder in den Sumpf treten, die sonst aufgetaucht wären und angefangen hätten zu stinken. Bei einer oder zwei hat er das nicht mehr rechtzeitig geschafft und deshalb musste er gehen. Danach tauchten die Leichen reihenweise auf.

… und sie werfen lange Schatten.

Die Psychologen Dan Ariely und Ximena Garcia-Rada kommen in einer Studie zu dem Ergebnis, dass sich Bestechlichkeit, also Lug und Trug, innerhalb einer Organisation wie ein Virus verbreitet. Eine Firma, deren Führungskräfte lügen und betrügen, hat schon verloren: Betrug wird als normal angesehen und sich auch unter den Mitarbeitern verbreiten, sie werden die Firma betrügen, wo sie können. Der kurzfristige Gewinn, den diese Firma vielleicht erreicht hat, wird durch den Aufwand, den Betrug zu vertuschen, schnell aufgefressen. Dazu kommen die Kosten, die die Mitarbeiter verursachen, weil auch sie aufgrund der schlechten Vorbilder bestechlich werden.

Das Schlechte bleibt

Was das Schlimme ist, die schlechten Angewohnheiten lassen sich kaum wieder korrigieren. Derselbe Mechanismus, der einen Menschen sich eher Schlechtes angewöhnen lässt als Gutes, greift auch bei Firmen, sogar bei Staaten.

Außerdem erfordert es jahrelange Arbeit, sich einen guten Ruf zu verschaffen, für einen schlechten Ruf reicht oft ein einziger Fehltritt eines leitenden Angestellten oder Firmenchefs. Ein Einzelner kann so jahrelange Arbeit in wenigen Tagen zerstören.

Es scheint zwar ungerecht, es lässt sich trotzdem nicht vermeiden, dass illegales oder unmoralisches Verhalten von Führungskräften auf die Firma zurückfällt. Deshalb haben diese eine besondere Verantwortung und müssen sich stets integer verhalten. Ein Korpsgeist, der alles unter den Teppich kehrt, ist innerhalb der Führung nicht angebracht, ein funktionierendes Compliance Management System muss eingerichtet sein, und das darf kein zahnloser Papiertiger sein.

Eigentlich ist das ein uralter Grundsatz: ein Vorgesetzter muss Vorbild sein. Der Alte Fritz hat diesen preußischen Grundsatz auf den Punkt gebracht, indem er sagte: „Ich bin der erste Diener des Staates.“ In Preußen gab es deshalb erst dann eine Revolte gegen den Staat, als ein König (Friedrich Wilhelm IV.) und ein Prinz (der spätere Friedrich I.) ihre Zusagen nicht eingehalten haben. Friedrich I. hat daraus gelernt und wurde vom Kartätschenprinz zum beliebten König.

In Frankreich hat das bestechliche Ancien Régime eine Revolution ausgelöst, die den absolutistischen König weggefegt hat. Das ist eine Lehre, die auch heute noch Staatsoberhäupter, aber auch Wirtschaftsführer ernst nehmen sollten: Bestechlichkeit und Nepotismus zahlen sich nicht aus.

Warum wird trotzdem so viel betrogen?

Im Grunde wissen wir das alles. Trotzdem nimmt Betrug und Bestechlichkeit in Deutschland zu. Warum nur?

Zum einen gibt es schlechte Vorbilder. Wie gesagt, Bestechlichkeit ist ansteckend, vor allem, wenn sie keine Konsequenzen nach sich zieht. Eine kleine Sünde wird auch gegenüber sich selbst entschuldigt mit: „Das machen doch alle!“ Eine größere mit: „Das schadet doch niemandem!“ Und eine ganz große mit: „Andere haben es schließlich schon viel schlimmer getrieben.“

Doch wenn ein solches Lügengebäude schließlich zusammenbricht, wird es richtig teuer. Hätte der VW-Konzern von Anfang an in seine Diesel-Autos eine bessere Abgas-Reinigung eingebaut, wäre das viel billiger gewesen als die Entwicklung der Betrugssoftware, die staatlichen Strafen und der Vertrauensverlust.

Es gibt Leute, die aufgrund ihrer ausgeprägten narzisstischen Anlagen, die zum Teil in Richtung Soziopathie gehen, kein Unrechtsbewusstsein und keine Angst haben und glauben, sie würden nie erwischt. Ganz abgesehen davon, dass niemand auf Dauer unentdeckt davonkommt, sind sie vor allem ein grottenschlechtes Vorbild und gehören schon aus diesem Grund von ihren Posten entfernt.

Fazit

Auch wenn Sie eine Führungskraft sind, Sie stehen weder über dem Gesetz noch über den Compliance-Vorschriften Ihrer Firma. Es zahlt sich auf die Dauer eben doch aus, moralisch einwandfrei zu handeln, so altmodisch sich das auch anhört. Nur so können Sie ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Mitarbeitern, Kunden und Zulieferern aufbauen. Zeigen Sie sich auch gegenüber ihren Chefs integer, auch wenn diese Sie zuerst für lästig halten, werden Sie doch an Achtung gewinnen. Einer mafiösen Seilschaft anzugehören bringt auf Dauer keinen Gewinn. Wird ein Bauernopfer gebraucht, steht man zu schnell auf der Abschussliste, die früheren Kumpel kennen da keine Skrupel – auch dafür bietet VW einige Beispiele. Der „Mann fürs Grobe“ zu sein ist keine Lebensstellung.

Denken Sie daran: Einmal ist keineswegs keinmal. Schon das erste Mal raubt Ihnen die Unschuld, und ein bisschen schwanger gibt es nicht.

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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