Therapien, Beratungen und Coachings, ja sogar neue Methoden der Mitarbeiterführung schmücken sich heute mit dem Beiwort „systemisch“.
Was ist mit diesen systemische Grundsätze eigentlich gemeint?
- Es ist, wie es ist!
Was ist, darf sein, und was sein darf, darf sich auch ändern.
Der Gedanke, der hier konkretisiert wird, ist, dass sich nur das ändern kann, was auch gesehen wird und gesehen werden darf.
Der Satz: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ ist das genaue Gegenteil dazu. - Es gilt das holistische Prinzip: Alles hängt mit Allem zusammen.
Jedes Element eines Systems hat Einfluss auf das Gesamtsystem. - Konflikte sind Entwicklungschancen, Widerstand bringt Energie .
Das scheinen Widersprüche zu sein, aber ohne Konflikte gibt es keine Veränderungen. - Unterschiede sind Vielfalt und Reichtum.
Ohne unterschiedliche Fähigkeiten sind wir hilflos gegenüber den Veränderungen der Randbedingungen und Anforderungen. - Wenn man die Verhältnisse nicht ändern kann, muss man die Sicht auf die Dinge ändern, man muss ihnen einen neuen Rahmen geben (Refraiming).
Aber mentale Änderungen brauchen Zeit. - Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“, kein „gut“ oder „böse“.
Es gibt nur angemessenes und nicht angemessenes Verhalten. - Der scheinbar Schuldige ist nur der Symptomträger, nicht der Verursacher eines Fehlers.
An Fehlern oder am Scheitern sind alle Mitglieder des Systems beteiligt.
Die Entstehung der Systemtheorie
Die Systemtheorie ist in der Naturwissenschaft in der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden, als die alten, rein mechanischen Weltbilder die beobachteten Phänomene nicht mehr beschreiben konnten. Die Zusammenhänge wurden, angefangen beim Wetter über das Zusammenleben von Menschen bis hin zu unserer Stromversorgung als chaotisch erkannt . Chaos ist an sich nichts Schlimmes, nur sollte man nicht versuchen, das Chaos mit mechanischen Regelwerken zu beherrschen. Eine adäquate Beschreibung kann nur systemtheoretisch geleistet werden.
Menschen interagieren immer in Systemen wie Familien, Gruppen, Firmen, Abteilungen und Staaten. Die Gestaltpsychologie nimmt als Modell die Gestalt, „das Ganze“, her, das Eigenschaften besitzt, die in seinen Teilen nicht zu finden sind. Denn das Ganze besteht nicht nur aus seinen Teilen, sondern auch aus den Beziehungen der Teile untereinander. Außerdem verändert sich das Verhalten aller Teile , wenn ein zusätzliches Teil dazu kommt. Aus der Gestaltpsychologie ist die psychologische Systemtheorie entstanden.
Die Soziologie und die Psychologie haben erkannt, dass ihr Forschungsgegenstand, Menschen und ihr Zusammenleben, chaotisch ist und versuchen seither, dieses Chaos mit systemtheoretischen Ansätzen zu beschreiben. Daraus haben sich die systemischen Vorgehensweisen der Berater und Coachs entwickelt. Allerdings sollte man wissen, dass auch ein Beobachter, also ein Coach oder Berater, zu einem Teil des Systems wird und dieses somit verändert.
Der Coach stört das System
Das systemische Vorgehen legt besonderen Wert auf die Wechselwirkungen der Elemente eines Systems, nicht aber auf deren Eigenschaften . Ein systemisch Denkender geht davon aus, dass ein Mensch als Element eines Systems keine feststellbaren Eigenschaften hat, aufgrund derer er handelt, sondern dass sein Handeln von den Interaktion mit den anderen Elementen der Systeme und seiner früheren Erfahrungen mit anderen Systemen bestimmt wird.
Ein System versucht sich möglichst unverändert selbst zu erhalten. Demgegenüber zielen die Interventionen eines Coachs darauf ab, die eingefahrenen Wege des Systems zu stören. Die Interventionen haben also nicht die Änderung von Menschen zum Ziel, sondern die Änderung ihrer Interaktionen. Ein wichtiges Werkzeug dabei ist die „zirkuläre Frage“, die Informationen über diese Interaktionen zutage bringen. Anstatt zu fragen: “Wie fühlst Du Dich?“, wird gefragt: „Was glaubst Du, wie Dein Partner denkt, dass Du Dich fühlst?“.
Für den Coach ist systemisches Vorgehen kein Werkzeug, sondern eine Haltung
Bei der Systemischen Behandlung geht es darum, die Ressourcen und Kompetenzen der Elemente eines Systems zu stärken. Das Vorgehen ist also lösungsorientiert, die klassische Beratung fragt dagegen nach den Schwächen und Problemen der Mitglieder des Systems. Systemisch wird davon ausgegangen, dass die Experten für ein System die Betroffenen, also dessen Mitglieder sind. Der Coach erkennt die Regelkreise, weiß aber nichts über die Probleme und ihre Lösungen. Er ist „nur“ der Experte für den Lösungsprozess.
Für den Coach ist systemisches Vorgehen kein Werkzeug, sondern eine Haltung. Man kann es nicht einfach erlernen, sondern muss dazu seine Denkstruktur ändern, denn im Beratungsprozess wird man nur dann die systemischen Grundsätze befolgen können, wenn man sie verinnerlicht hat.
Einige systemische Grundsätze für den Coach:
- Der Coach geht wertschätzend vor und bietet Hilfe zur Selbsthilfe an.
Indem die Entwicklungsfähigkeit des Klienten gestärkt wird, werden seine Selbstheilungskräfte aktiviert . Der Coach tritt wie ein Gärtner auf: er gräbt um, jätet, säht, aber wachsen muss der Klient selber, denn eine Pflanze wächst ja auch nicht schneller, weil man an ihr zieht. - Der Coach hat ein konstruktivistisches Weltbild.
Niemand sieht die Welt objektiv, jeder schaut durch seine Brille und sieht etwas anderes aus einem anderen Blickwinkel. Die Welt wird durch den Betrachter geprägt. - Der Klient sucht mit Unterstützung des Coaches nach dem Verhalten, das Erfolg bringt. Dabei werden dem Klienten Blockaden bewusst, die er auflösen kann.
- Es wird nicht nach Fehlern und Schwächen, sondern nach stärkenden Ressourcen gesucht.