Zuckerbrot und Peitsche sind nicht genug

Zuckerbrot und Peitsche sind nicht genug

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RespektVor einigen Tagen habe ich eine interessante Sendung mit Sir Alex Ferguson gesehen. Er hat in einer Management-Schule (ich habe zu spät eingeschaltet und deshalb nicht mehr erfahren, welche es war) mit den Studenten und ihrer Professorin über seine 27-jährige und äußerst erfolgreiche Tätigkeit als Trainer des Fußballclubs Manchester United gesprochen.

Im Laufe dieses Gesprächs malte die Professorin eine lange Linie an die Tafel, bezeichnete das eine Ende mit „Liebe“, das andere mit „Angst“ und sagte dazu: „Für manche Chefs tut man alles, weil man sie liebt, für andere, weil man sie fürchtet. Sir Alex, wo ordnen Sie sich auf dieser Skala ein?“

Der ging auf dieses „Entweder-Oder“ gar nicht ein, sondern malte einen Pfeil nach oben mitten auf die Skala und antwortete: „Das ist die falsche Dimension, es geht um Respekt!“, und beschriftete den Pfeil.

Warum Zuckerbrot und Peitsche nicht reicht

Und damit hat er sicherlich recht. Es hilft, aber es reicht nicht aus, als Chef von den Mitarbeitern geliebt zu werden. Denn in kritischen Situationen muss der Chef harte Entscheidungen fällen. Dadurch enttäuscht man die Liebe, und sie kann leicht in Hass umschlagen. Wird er hingegen nur gefürchtet, reicht das auch nicht, denn Furcht verhindert Kreativität und Eigeninitiative, und beide sind notwendige Voraussetzungen für den Erfolg. Mitarbeiter die Angst haben, tun alles, aber nur auf Anweisung.

Hingegen kann ein Chef, der respektiert wird, sowohl harte als auch angenehme Entscheidungen fällen. Also sowohl solche, für die er gefürchtet, als auch solche, für die er geliebt wird, seine Mitarbeiter werden ihm folgen, weil sie seine Entscheidungen akzeptieren.

Respekt heißt also das Zauberwort – aber wie gewinnt und erhält man den Respekt seiner Mitarbeiter? Denn Respekt kann man nicht einfordern, man muss ihn sich verdienen. Was sind also die Voraussetzungen dafür?

Wahrhaftigkeit

Wahrhaftigkeit ist die Grundvoraussetzung. Ein Vorgesetzter, der seine Mitarbeiter durch falsche Aussagen oder Verschweigen wichtiger Tatsachen belügt, verliert ihr Vertrauen.

Glaubwürdigkeit

Glaubwürdigkeit ist eine weitere Voraussetzung für Vertrauen. Ein Chef, der Wasser predigt und Wein säuft, also zum Beispiel Mitarbeiter entlässt, weil „die Zeiten so schwer sind“, und sich gleichzeitig eine 30 %ige Erhöhung der Bezüge genehmigt, ist unglaubwürdig und wird wenig respektiert. Sir Alex hat aber gezeigt, dass gerade der notwendig ist, um eine Firma – oder auch einen Fußballclub – an die Spitze zu bringen und dort zu halten.

Verlässlichkeit

Respekt vor einer Person bedeutet auch, dass man sich auf sie verlassen kann. Sie muss zum einen in ihren Reaktionen berechenbar bleiben, zum anderen müssen ihre Reaktionen angemessen sein. Das heißt nicht, dass die Reaktion immer und für alle gleich ist. Ein respektierter Chef kann durchaus Mitarbeiter unterschiedlich behandeln, denn jeder Mensch ist anders. Ein Anraunzer, der den Einen kalt lässt, löst beim Anderen Katastrophenstimmung aus. Das kann und muss der Chef berücksichtigen. Auch sollte er situationsbezogen handeln. Sir Alex zum Beispiel legte sehr viel Wert auf Pflichterfüllung, und wer schluderte, den brüllte er aus so großer Nähe an, dass seine Spieler das einen „Fön“ nannten. Als aber einmal der Vater eines Spielers krank war, gab er ihm frei, obwohl ein schweres Spiel bevorstand und der Spieler wichtig war. Hier ließ er also eine Pflichtverletzung zu, und deshalb hat niemand den Respekt vor ihm verloren.

Eine weitere Voraussetzung für den Respekt ist die Achtung des Chefs vor der Leistung aller Mitarbeiter, nicht nur vor der der Spitzenkräfte. Selbst der einfachste Hilfsarbeiter trägt zum Gelingen der geschäftlichen Vorhaben bei und ist deshalb unverzichtbar. Wenn ein Chef nur von Leistungsträgern spricht, sagt er damit implizit, dass 98% der Mitarbeiter keine Leistung erbringen, er achtet sie also nicht und sie werden ihn nicht respektieren. Zur Achtung gehört auch, dass auch für den Chef die gleichen Regeln wie für alle Anderen gelten. Steve Jobs hat grundsätzlich auf dem Behindertenparkplatz geparkt, mit der Begründung, er dürfe das, er sei schließlich der Chef. Ich glaube nicht, dass das den Respekt vor ihm gesteigert hat.

Allparteilichkeit

Und schließlich gibt es noch einen Punkt, der wichtig ist, aber selten genannt wird: die Allparteilichkeit. Der Ausdruck stammt aus dem systemischen Denken und heißt, dass eine Person Partei ergreift für alle anderen, ohne Unterschied. Sie ist etwas anderes als Gleichbehandlung, denn diese berücksichtigt nicht die Unterschiede der Menschen und ist wertneutral. Ich kann auch alle Menschen gleich schlecht behandeln.

Wie verdient man sich Respekt?

Respekt können Sie also nicht einfordern. Respekt müssen Sie sich verdienen. Genießen Sie Respekt, haben Sie auch die Macht, Anordnungen zu geben, die dann auch befolgt werden. Ansonsten müssen Sie sich mit Zwang durchsetzen, und das ist für alle Beteiligten unschön.

Sich Respekt verdienen und zu behalten ist harte Arbeit und erfordert, sich selbst ständig zu hinterfragen und zu reflektieren. Sie werden dabei Fehler machen, aber wenn Sie die eigenen Fehler anerkennen wird das den Respekt vor Ihnen nur steigern.  Wenn Sie jemanden brauchen, der Ihnen hilft, sich selbst einzuschätzen oder unpassendes Verhalten abzulegen – ich unterstütze Sie gerne.

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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