Erstkontakt mit einem Coach

Erstkontakt mit einem Coach

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Ganz egal, ob im privaten oder beruflichen Umfeld: wer einen Coach kontaktiert, möchte die Situation, in der er sich befindet, ändern. Dazu sucht er Unterstützung. Vielen ist das peinlich, denn wer sein Leben nicht im Griff hat, ist ein Versager.

Ich möchte eine andere Situation schildern: Sie haben immer wieder Rückenschmerzen. Das stört und ist ärgerlich. Sie haben schon alles Mögliche versucht, es wird nicht besser. Sie machen deshalb einen Termin bei einem Masseur aus, denn Sie kommen nicht mehr alleine klar. Dabei sehen Sie sich doch keineswegs als Versager, denn man kann ja schlecht den eigenen Rücken massieren.

Obwohl die beiden Situationen – also die psychische und die physische – sehr ähnlich sind, gibt es genug meist unbedarfte Menschen, die die Massage akzeptieren, den Besuch beim Coach aber vermeiden würden. Warum? Ist es einfacher mit einer verspannten Psyche klar zu kommen als mit einem verspannten Kreuz?

Hilfe vom Spezialisten

Sich Hilfe vom Spezialisten zu holen, ist alles andere als peinlich. Es ist sogar klug. Weder bei körperlichen Problemen, noch bei der Pflege des eigenen Gartens und auch nicht bei der Wartung des eigenen Autos ist dieses Verhalten ungewöhnlich. Da wird weder verschwiegen noch verleugnet. Aber bei der eigenen Psyche soll es auf einmal peinlich sein?

Psychische „Verspannungen“ werden auch heute noch verschwiegen, vor Anderen und sogar vor sich selbst. Wenn Sie aber leugnen, dass Sie Hilfe brauchen, werden Sie weder einen Coach noch einen Therapeuten kontaktieren. Die Standardaussagen sind: „Es geht mir gut!“ – obwohl das ganz und garnicht stimmt – oder: „Ich bin doch nicht neben der Spur!“

Niemand außer Ihnen selbst behauptet, dass jemand neben der Spur sei, nur weil er sich in einer schwierigen Situation begleiten lässt. Sie gehen dann nur besonders verantwortungsvoll mit ihrer Psyche um, so wie Sie verantwortlich mit ihrem Körper umgehen, wenn Sie zur Vorsorgeuntersuchung gehen. Frauen wissen das, viele Männer müssen es noch lernen. Sie warten so lange, bis die schwierige Situation zu einem echten Problem geworden ist – bis aus dem seelischen Schnupfen eine Lungenentzündung geworden ist. Dann endlich ist der Leidensdruck so hoch, dass man sogar vor sich selbst eingestehen kann, Hilfe zu brauchen.

Niemand ist stark, weil er Schwierigkeiten verschweigt. Sie zeigen dadurch Stärke, dass Sie Ihre Schwierigkeiten ansprechen und anschauen. Da man nicht mit den gleichen Methoden aus einem Problem heraus kommen kann, mit denen man hineingeraten ist, benötigt man dabei jemanden, der andere Methoden kennt. Wenn Sie sich im Beruf fachlich festgefahren haben, suchen Sie doch auch jemanden, mit dem Sie reden können.

Die Schritte zum Coach

Jeder Weg, auch der zum Coach, beginnt mit dem ersten Schritt. Der erste Schritt ist, sich selbst einzugestehen, dass man vielleicht jemandem zum Reden braucht, der objektiver und fachkundiger ist als ein Freund.

Der zweite Schritt ist, Vorurteile gegen Coachs, Therapeuten und psychologische Berater zur Seite zu schieben. Viele haben falsche Vorstellungen über diese Berufsgruppe und fühlen sich ihnen gegenüber mulmig. Das ist verständlich: man muss sich jemandem öffnen, der ständig in die Psyche anderer Menschen schaut. Gibt man da nicht zu viel preis? Zeigt man nicht zu viel von sich selbst?

Ich kann ihnen versprechen, ein Coach oder Therapeut hat sich während seiner Ausbildung seinen eigenen dunklen Seiten gründlich angeschaut. Er weiß, dass sie jeder hat, und dass es nur negativ ist, sie nicht anzuschauen. Vieles, was Sie als peinlich anschauen, ist für ihn völlig normal. Und er zwingt Sie nicht dazu, mehr von sich preiszugeben, als Sie ertragen können. Er hilft Ihnen, die Ursachen der dunklen Flecken zu sehen. Er begleitet Sie dabei, während Sie hinschauen und Ihre Schwierigkeiten in den Griff bekommen.

Der dritte Schritt ist schließlich, nach einem Begleiter zu suchen, der Ihnen zusagt, vielleicht im Internet, vielleicht empfiehlt ihn Ihnen auch jemand. Und dann, ihn anzurufen und einen  Termin auszumachen. Vielleicht werden Sie beim ersten keinen Termin bekommen, weil er ausgebucht ist, dann müssen Sie weitersuchen.

Der vierte wichtige Schritt ist dann, zum ausgemachten Termin auch hinzugehen. Wenn diese Hürde überwunden ist, dann wird alles Weitere wie von allein laufen. Aber Sie müssen hingehen. Wenn Sie das nicht tun, wird ein Besuch zu einem aufgesc hobenen Termin immer schwieriger.

Ich gebe zu, der erste Schritt ist der schwierigste, ich weiß das aus eigener Erfahrung. Aber wenn Sie den ersten Schritt einmal getan haben, werden Sie merken, um wie vieles es leichter wird, Ihre Probleme zu betrachten. Und dann können Sie sich auch auf Ihrem weiteren Weg begleiten lassen.

Fazit

Vergeuden Sie keine Energie darauf, Gründe zu erfinden, warum Sie nicht zum Coach gehen sollten. Es ist nicht leicht, den ersten Schritt zu tun, aber es lohnt sich. Damit Sie den richtigen finden können, bieten die meisten Coachs kostenlose „Schnupper“-Stunden an. Sie haben also nichts zu verlieren als Ihre Hemmungen. Und schließlich: Coachs sind zu Stillschweigen verpflichtet, es gilt eine sehr strenge Schweigepflicht. Ihre Geheimnisse sind sicherer, als wenn Sie sie einem Freund oder gar einem Kollegen anvertrauen.

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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