Abteilung A war immer eine leistungsfähige Abteilung gewesen, fast eine Vorzeigeabteilung. Die Arbeit wurde gut und pünktlich abgeliefert, neue Lösungen wurden gefunden, Änderungen im Arbeitsablauf wurden sachlich diskutiert und umgesetzt. Gerhard H., der Abteilungsleiter, hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern. Er hörte ihnen zu und ließ sie machen. Der Ton war rau, aber herzlich, Rückversicherungen und Aktennotizen waren nicht üblich.
Und dann wird alles anders
Und dann, eines Tages, keiner wusste weshalb, fingen sich die Verhältnisse an zu ändern. Keiner erinnerte sich, wann es anfing, aber plötzlich gab es immer mehr Kollegen, die Dienst nach Vorschrift machten und deren vornehmliches Ziel es war, sich keinen Fehler nachweisen zu lassen. Böse Gerüchte machten die Runde, es gab sogar erste Fälle von Mobbing. Heute ist der Ton in der Abteilung nur noch rau, von herzlich keine Spur mehr. Gerhard H. liegt im Dauerclinch mit einigen Mitarbeitern, was ihn viel Zeit kostet. Die Leistung der Abteilung hat, was unter solchen Verhältnissen selbstverständlich ist, nachgelassen, es schleichen sich Fehler ein, die nicht schnell und unbürokratisch behoben, sondern möglichst totgeschwiegen oder anderen in die Schuhe geschoben werden.
Das Management greift ein
Dr. B., Chef von Gerhard H., hat schon längere Zeit bemerkt, dass die Abteilung A anfing, aus dem Ruder zu laufen. Er hat erst einmal zugeschaut, denn bisher hat diese Abteilung Schwierigkeiten immer aus eigener Kraft behoben. Aber diesmal wurde es nicht besser, und als er den Abteilungsleiter darauf ansprach, leugnete der die Existenz irgendwelcher Probleme. Auf die schlechten Zahlen angesprochen, erklärte er die für ein kurzes Tief und verwies auf frühere Erfolge.
Inzwischen ist die Krise nicht mehr klein, sie droht die ehemalige Vorzeigeabteilung zu paralysieren. Gerhard H. scheint sich dessen nicht bewusst zu sein, er macht weiter wie bisher, wegen der schlechten Zahlen erhöht er den Druck. Grundsätzlich ergreift er keine neuen Maßnahmen, denn bisher ist er ja mit seinem Vorgehen immer erfolgreich gewesen. Er macht weiter wie bisher, er ist zum Gefangenen seines eigenen Erfolges geworden.
Nun aber ist die Situation eine grundsätzlich andere geworden, ein beherztes „Weiter so!“ oder ein stures „Mehr desselben!“ hilft nicht mehr. Von außen ist das deutlich zu sehen, nur als Beteiligter bemerkt man nichts. Das Management sieht die Notwendigkeit zu handeln, es glaubt sogar zu wissen, was man ändern müsste, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Die Abteilungsbesprechung
Es wird also eine Abteilungsbesprechung einberufen. Murrend erscheinen die Mitarbeiter: „Wir haben Besseres zu tun, als uns vom Großen Zampano zusammenscheißen zu lassen!“ Gerhard H. ist sauer: warum hat man nicht vorher mit ihm gesprochen? Will man ihm die Abteilung wegnehmen?
Und so beginnt der Vortrag von Dr. B. Er lobt die früheren Erfolge der Abteilung, kommt dann auf die momentanen Schwierigkeiten zu sprechen und schlägt mit bester Absicht einen, wie er glaubt, wohldurchdachten Change vor. Er merkt nicht, dass die Abteilung ihm schon um die Ohren geflogen ist. Niemand hört ihm richtig zu, ein Teil der Leute arbeitet demonstrativ an ihren Laptops, der andere starrt Löcher in die Luft, nur der Praktikant schreibt mit. Und als zum Schluss die Frage kommt: „Und was halten Sie von den Maßnahmen, Herr H.?“, antwortet der: „Das wird uns bestimmt weiterhelfen, Herr Dr. B. Wir warten dann mal auf Ihre Anweisungen.“ Da wird auch Dr. B. klar, dass alles schief gelaufen ist. Nur was genau, und warum?
Was ist schief gelaufen?
Zum einen hat Dr. B. jetzt die Abteilung und ihre Schwierigkeiten an der Backe. Gerhard H. hat – verärgert, weil ihm die Verantwortung aus der Hand genommen wurde – geschickt die Verantwortung für die notwendigen Änderungen nach oben delegiert. Das war natürlich das letzte, was das Management erreichen wollte, aber Dr. B. ist jetzt in der Pflicht.
Aber das Management ist selbst schuld: es hat die Abteilung in den beabsichtigten Change-Prozess nicht eingebunden. Und es ist problem- und nicht lösungsorientiert vorgegangen. Es wurde nicht gefragt, was so bleiben kann und soll, sondern nur, was sich ändern muss, Es wurde noch nicht einmal nach Stärken und Ressourcen der Abteilung gefragt. Aber vor allem: Es wurde nie mit den Beteiligten gesprochen, sie wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.
Sie glauben, dass so etwas nie vorkommt? Vielleicht nicht genau so, aber doch ziemlich ähnlich. Im schlimmsten Fall erhält der Abteilungsleiter nur einen schriftlichen „Vorschlag“, wie die Abteilung umzugestalten ist.
Wie macht man es anders?
Wenn, wie in unserem Fall, das Fass bereits dabei ist, überzulaufen, dann darf nicht noch ein Sturm entfacht werden oder in dem Fass herumgerührt werden. Denn dann läuft es über. Dann muss erst einmal Druck vom Kessel genommen werden.
Ein gut vorbereitetes Treffen weit weg vom Arbeitsplatz wird notwendig, geleitet von einem professionellen Mediator. Der muss sich auskennen mit systemischen Prozessen und mit lösungsorientiertem Vorgehen, mit Gruppendynamik und Führung. Und vom Management muss klar gemacht werden, dass man dort die Abteilung wertschätzt und alles tut, sie wieder zum Laufen zu bringen. Dann hat das Ganze Aussicht auf Erfolg, vor allem dann, wenn keine Ursachenforschung und Aufrechnung der Versäumnisse getrieben werden.
Das ist zu teuer? Dann bleibt dem Management nichts anderes übrig als die Abteilung aufzulösen, denn mit billigen Maßnahmen kommt sie nicht mehr zum Laufen. Da ist der Wurm drin, und der geht so schnell nicht wieder raus.