Frauen im Team

Pünktlichkeit in Meetings

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Boring seminarSie sitzen mit Ihren Kollegen im Besprechungsraum. Man unterhält sich, der eine oder andere holt sich noch schnell einen Kaffee, die unentwegten haben ihren Laptop mitgebracht und bearbeiten ihre Mails (was sie während der gesamten Besprechung machen werden – man ist ja multi-tasking-fähig). Und im Übrigen ist Warten angesagt – der Chef, der eingeladen hat, fehlt noch. Es dauert, die Gespräche werden privater, Feierabendlaune macht sich breit. Am eigenen Arbeitsplatz hätte man genug zu tun, doch das scheint nicht so wichtig zu sein, sonst würde man nicht dasitzen wie bestellt und nicht abgeholt.

Mit geraumer Verspätung erscheint ER: der Chef rauscht in den Raum, verbreitet Hektik, baut schnell seinen Rechner auf, schließt den Beamer an, sucht eine Zeit lang die Dateien zusammen, die er wohl für die Besprechung braucht. Die Mitarbeiter schauen gelangweilt zu. Schließlich ist er fertig und beginnt seine Ansprache (die Gedanken der Mitarbeiter sind in eckige Klammern gesetzt):

„Meine Damen und Herren [Aha, keine Begrüßung, keine Entschuldigung. Aber als ich das letzte Mal ein paar Minuten zu spät gekommen bin, weil ein Kundentelefonat etwas länger gedauert hast, und Du mal ausnahmsweise pünktlich warst, bist Du fast ausgeflippt.], wir sind schon spät dran. [Nee – Du bist spät dran, wir waren pünktlich!] Ich hatte noch eine wichtige Besprechung. [Ach ja, und wir sind unwichtig!]. Gehen wir also sofort medias in res! [Deine lateinischen Sprüche kannst Du Dir sparen, alter Angeber!] Ich darf Sie in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit bitten, sich bei Ihren Beiträgen kurz zu halten. [Jetzt dürfen wir also wieder Deine Verspätung ausbaden. Na, von mir wirst Du heute nix hören. Das ist mir zu blöd!] Wir müssen nämlich heute pünktlich Schluss machen, weil ich im Anschluss noch einen wichtigen Termin habe. [Wir sind also wieder unwichtig!] Ich habe Ihnen ja das Thema der Besprechung zugesendet [Hast Du nicht, hast Du wohl vergessen, Du Hektiker!]. Was, das haben Sie nicht erhalten? Na, auch nicht schlimm [Hab ich mir gedacht, dass das für Dich nicht schlimm ist.], es dreht sich kurz gesagt um Folgendes: …“

Kennen Sie das, kommt Ihnen das bekannt vor? Wie erfolgreich waren solche Besprechungen?

Der Chef hat hier seine Machtposition ausgenutzt. Er hat seinen Mitarbeitern – bewusst oder unbewusst – deutlich gezeigt, wie wenig er sie wertschätzt. Er hat seinen vorherigen Termin noch nicht einmal so lange unterbrochen, um ihnen über die Verspätung und ihre Dauer Bescheid geben zu lassen. Das ist Gedankenlosigkeit, Feigheit oder Absicht. Wenn das öfter vorkommt, werden die Mitarbeiter auch unpünktlich sein („Der Chef kommt ja sowieso zu spät!“), die Besprechungen „fransen aus“.

Aber auch die Mitarbeiter haben keine Souveränität gezeigt. Sie hätten spätestens nach zehn Minuten an ihre Arbeitsplätze zurückgehen können. Dafür will niemand die Verantwortung übernehmen. Denn meist sind die Chefs, die ihre Mitarbeiter nicht wertschätzen, auch diejenigen, die von ihren Mitarbeitern die höchste Wertschätzung erwarten.

Genau so schlimm ist es, wenn die Besprechung überzogen wird. Die Mitarbeiter haben sich auf die gedachte Dauer eingestellt und ihre weiteren Pläne danach ausgerichtet. Auch bei einer Überziehung nützt der Chef seine Machtstellung aus. Darüber hinaus kommt es während der „Verlängerung“ kaum noch zu sinnvollen Ergebnissen, die Luft ist raus, jeder ist in Gedanken schon bei seinem nächsten Termin. Viele fragen sich, ob sie in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit überhaupt noch etwas beitragen sollten. Probleme und Fragen, deren Bearbeitung länger dauern, werden nicht zur Diskussion gestellt. Im Sinne eines guten Ergebnisses bringt es also nichts, die Zeit zu überziehen, es sei denn alle haben freiwillig – und hier ist wirklich freiwillig gemeint, nicht eine gequälte Zustimmung – der Verlängerung um eine vorher festgelegte Zeit zugestimmt.

Auch Verspätungen von Teilnehmern stören. Wir wissen, dass sich die Besprechungsteilnehmer gerade in den ersten Minuten auf die anderen Teilnehmer und auf das Thema einstimmen. Es wird in den ersten Minuten das System der Besprechungsteilnehmer (im systemischen Sinne) aufgebaut. Ohne dieses „Forming“ kein „Performing“. Kommt nun jemand später dazu, ändert sich damit zwangsläufig das System der Teilnehmer, das Forming muss also erneut stattfinden, meist indem die bisherigen Ergebnisse der Besprechung für denjenigen, der zu spät kommt, zusammengefasst werden.

Trotzdem ist es das Schlimmste, was passieren kann, wenn eine Besprechung nicht pünktlich beginnen kann, weil der Einladende fehlt oder noch nicht fertig ist, oder die Besprechung nicht pünktlich beendet wird. Wenn Sie merken, dass die Zeit nicht reicht, dann versuchen Sie nicht, auf das Tempo zu drücken. Ein Diskussionspunkt dauert so lange, wie er braucht. Einem Punkt nicht die angemessene Zeit zu geben, führt zu schlechten Besprechungsergebnissen.

Damit Sie in der Zeit bleiben, beherzigen Sie bitte folgende Tipps:

  • Planen Sie zwischen Ihren Terminen einen ausreichenden Zeitpuffer ein. Denken Sie an die Wegezeiten und die notwendige Vorbereitung.
  • Sorgen Sie vor der Besprechung dafür, dass die Technik funktioniert und Sie alle notwendigen Unterlagen zur Hand haben.
  • Legen Sie eine Agenda an und geben Sie diese rechtzeitig bekannt.
  • Verlieren Sie sich nicht in Details, die nur eine Minderheit interessieren. Bilden Sie für diese Details eine Gruppe, die diese bearbeitet und die Ergebnisse bei der nächsten Besprechung kurz vorstellt.
  • Wenn nicht alle Punkte behandelt werden können, brechen Sie an einer sinnvollen Stelle ab und legen Sie einen Folgetermin fest.

Pünktlichkeit ist angeblich eine Sekundärtugend, die nichts über die Leistungsfähigkeit eines Chefs oder eines Mitarbeiters aussagt. Aber ohne Pünktlichkeit gibt es keine ordentlichen Besprechungsergebnisse, und somit ist diese Tugend, zumindest bei Besprechungen, doch primär.

Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige.

 

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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