Inzwischen hat es sich herumgesprochen: ein Leiter kann seine Mitarbeiter nicht coachen. Als Leiter ist er seinem Unternehmen verpflichtet. Sein Ziel muss es sein, den wirtschaftlichen Erfolg der Firma im Auge zu behalten. Der Coach hingegen kümmert sich nur um die Interessen seines Klienten. Von seinem Klienten erfährt er das Thema, dieser steuert auch die Richtung und den Fortschritt des Coachings.
Der Mediator
Von einem anderen psychologischen Unterstützer kann, darf und soll ein Leiter lernen: vom Mediator. Denn ein Mediator sorgt für den Ausgleich von divergierenden Interessen von Gruppen und Einzelpersonen. Solche Interessenkonflikte treten auch zwischen den Mitarbeitern eines Leiters auf, und es ist durchaus im Interesse der Firma, wenn zwischen ihnen ein Ausgleich geschaffen wird.
Themen sind dabei vor allem Arbeitseinsatz, Verantwortlichkeiten, Rechte und Pflichten der Mitarbeiter. Es gibt auch noch andere Streitpunkte, zum Beispiel aufgrund persönliche Animositäten, vielleicht sind die leider die häufigsten.
Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern
Warum darf ein Leiter Auseinandersetzungen von Mitarbeitern nicht einfach denen überlassen, so wie gute Eltern auch nicht direkt bei jedem Streit ihrer Kinder eingreifen? Das leitet sich aus seinen Pflichten gegenüber der Firma ab, denn jede Auseinandersetzung kostet Geld. Sie kostet Arbeitszeit, die mit Streiten verbracht wird und nicht mit Arbeiten, und sie verschlechtert die Arbeitsergebnisse aufgrund mangelnder Zusammenarbeit. Ein Leiter ist verpflichtet, diese Verluste zu minimieren.
Man wird divergierende Meinungen und Interessen nicht vermeiden können. Das ist darüber hinaus gar nicht erwünscht, denn aus Auseinandersetzungen entstehen Neuerungen. Konflikte sind also in konstruktive Bahnen zu lenken, ohne sie vermeiden oder unterdrücken zu wollen. Was leistet also ein Moderator und was kann ein Leiter sich von ihm abschauen? Zuerst einmal muss er wissen wie unterschiedlich Menschen auf einen Konflikt reagieren.
Instinktsteuerung
Unter extremen Stress – und ein Konflikt ist immenser Stress – sind Menschen meist nicht mehr der Vernunft zugänglich. Sie neigen zu drei instinktiven Verhaltensweisen: Flucht, Angriff oder Erstarrung. Welche dieser Handlungsweisen zum Tragen kommt, hängt von den meist in der Kindheit gesammelten Erfahrungen und Prägungen der Streitenden ab, aber auch von der Situation des Streits. Damit Konfliktpartnern überhaupt wieder das breite Verhaltenspotential der Vernunftsteuerung zur Verfügung steht, muss ihr Stress abgebaut und ihre Person gestärkt werden. Das können sie nicht selbst, dafür brauchen sie einen Mediator.
Ein Mediator kann allerdings nicht erkennen, ob die Situation für den einzelnen Streitenden stressbehaftet ist, er kann das nur aus dessen Verhalten folgern. Wichtig ist aber das Stressempfinden der Beteiligten, nicht das des Mediators. Auch wenn Sie den Streitgrund als absolut lächerlich empfinden, Ihre Meinung interessiert hier ausnahmsweise überhaupt nicht. Die Vorgeschichte kann dazu führen, dass die Streitenden den Konflikt als hochgradig stressbelastet sehen. Aussagen wie: „Sie streiten hier um Kinkerlitzchen!“ führen nicht weiter, denn sie bauen weiteren Stress auf. Die Beteiligten fühlen sich nicht ernst genommen, weshalb Metadiskussionen geführt werden, wer schuld ist, dass um Kinkerlitzchen gestritten wird.
Transaktionsanalyse beim Streit
Unter Stress neigen die Beteiligten dazu, nicht mehr aus ihrem Erwachsenen-Ich heraus vernunftgesteuert zu reagieren, sondern sie handeln nach einem angepassten oder rebellischen kindlichen Schema, das heißt, man gibt entweder die eigene Meinung auf oder versucht sie,selbst wider besseres Wissen, durchzusetzen. Ein anderer Teil der Streitenden reagieren mit einer kritischen elterlichen Verhaltensweise, indem sie andere maßregelt und auf die ihnen angeblich zustehenden Plätze verweist.
Diese Verhalten wurden in der Kindheit gelernt und verinnerlicht. Sie haben sich als quasi instinktive Schemata erhalten, auf die im Notfall zurückgegriffen werden kann. Die Streitenden brauchen dazu ihren Intellekt nicht zu bemühen, der steht in diesem Augenblick sowieso nicht zur Verfügung. Der Moderator muss diese Verhaltensweise erkennen und die so auf die Handelnden ihrem Verhalten nach unterschiedlich eingehen. Das ist nicht einfach, denn die Rollen werden oft blitzschnell getauscht.
Unterdrückte Konflikt führen zum Krieg
Jedem Dritten – und Sie sind bei einem solchen Streit ein Dritter – ist ein Konflikt unangenehm. Man möchte ihn möglichst schnell beenden. Und dann fallen Sätze wie: „Nun gebt Euch mal die Hand und vertragt Euch wieder!“, oder „Euren Streit könnt Ihr in Eurer Freizeit austragen, hier wird gearbeitet!“
Das führt nicht zu einer Lösung. Ein Konflikt muss angeschaut und darf nicht unterdrückt werden. Sonst bricht er sich später Bahn, dann, wenn man ihn überhaupt nicht gebrauchen kann und er richtig weh tut. Ein Moderator wird solche Techniken meiden wie der Teufel das Weihwasser. Fragen Sie lieber! Versuchen Sie herauszubekommen, woher der Konflikt eigentlich kommt, vor allem, wenn er völlig lächerlich aussieht, liegt meist ein weiterer, ernster Konflikt dahinter. Versuchen Sie aber nicht, diese Mediationdes versteckten Konflikts vor großem Publikum durchzuführen, denn das könnte für die Beteiligten peinlich werden. Versprechen Sie den Konfliktpartner, in einem späteren Termin auf diesen Konflikt zurückzukommen und bitten Sie sie, ihn erst einmal zurückzustellen. Dieses Versprechen müssen Sie dann auch unbedingt und zeitnah halten, sonst gehen die Streitereien verstärkt weiter.
Der Klärungstermin
Bei einem solchen Termin wird ein Mediator folgende Schritte unternehmen:
- Auftragsdefinition / Themenliste
Um welche Themen geht es? Was steht dahinter? - Positionen und Interessen
Was sind die eigentlichen Interessen der Konfliktpartner? Welche Positionen müssten sie aufgeben, wenn sie in dem Konflikt nachgeben würden? - Lösungsoptionen
Welche Lösungen können sich die Konfliktpartner vorstellen? Welche Voraussetzungen sind dafür zu klären? Was haben die vorgeschlagenen Lösungen für Vor- und Nachteile? Was kann der jeweils andere akzeptieren? - Abschlussvereinbarung
Auf welche Lösung können alle sich einigen? Wer macht dafür was? Zu welchem Termin? - Nachsorge
Der Mediator überprüft nach angemessener Zeit, ob die Parteien auf dem richtigen Weg sind oder ob eine weitere Mediation angesagt ist. Dieser Schritt darf nicht vergessen werden, aus ihm können alle Beteiligten viel lernen.
Grundsätze der Mediation
Der Mediator befolgt dabei folgende Grundsätze:
- Selbstverantwortlichkeit
Die Beteiligten sind für ihr Verhalten und für das Finden einer Lösung selbst verantwortlich, der Mediator steuert nur die Prozesse. - Freiwilligkeit
Die Beteiligten, und zwar alle, müssen mit Ihnen als Mediator einverstanden sein, sonst muss eine andere, von allen akzeptierte Person als Mediator hinzugezogen werden. - Vertraulichkeit
Alle Beteiligten einigen sich, was nach außen gebracht werden darf. - Transparenz
Alle Beteiligten kämpfen mit offenem Visier, niemand verschweigt um seines eigenen Vorteils willen Informationen. - Allparteilichkeit
Der Mediator ist mehr als unparteilich, er ist allparteilich, denn er vertritt die Interessen aller Parteien. - Die Konfliktpartner entscheiden
Die Lösung wird von den Konfliktpartnern –und nur von ihnen- erarbeitet.
Fazit
Machen wir uns nichts vor! Das richtige Verhalten eines Mediators ist schwierig und niemand beherrscht es instinktiv, denn es widerspricht unseren Instinkten. Wir sind darauf getrimmt, Stellung zu beziehen, Lösungen zu finden und zu entscheiden. All das ist aber vonseiten eines Mediators unerwünscht, er darf weder parteilich sein noch Scheinlösungen par ordre de mufti durchsetzen. Sie als Leiter müssen also dieses ungewohnte Verhalten lernen und trainieren. Richtig moderiert können Konflikte auch bei Ihren Mitarbeitern zu konstruktiven und innovativen Lösungen führen. Und durch diese Moderation lernen Ihre Mitarbeiter mit Konflikten zielführend umzugehen.