Ein Chef ist kein Coach

Ein Chef ist kein Coach

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Es wird heute oft vom „Führen 4.0“ gesprochen, was, wenn man genauer hinschaut, nichts anderes ist, als mit Mitarbeitern respektvoll umzugehen, ihnen Verantwortung zu übertragen und für sie eine Umgebung zu schaffen, in der sie produktiv arbeiten können. Also kurz, seinen Job als Chef zu machen. Und dann wird noch behauptet, der Gipfel der Führung sei, für seine Mitarbeiter ein Coach zu sein.

Das ist Blödsinn! Wer solche Thesen vertritt, hat entweder nicht verstanden, was die Aufgabe eines Chefs ist, oder er weiß nicht, was ein Coach ist. Meist wird diese Aussage peinlicherweise von Beratern oder Keynote-Speakern gemacht, die sich allerdings selbst als Coach sehen. Ein Chef kann beraten, ein Chef kann Mediator sein (siehe: „Der Leiter als Mediator“). Sobald er versucht zu coachen, wird es übergriffig.

Die Aufgaben eines Chefs

Ein Chef vertritt gegenüber seinen Mitarbeitern die Interessen des Arbeitgebers. Das kann er wenig effektiv tun, z. B. durch Ausübung von Druck, durch Bossing, durch rein hierarchisches Handeln oder durch andere Maßnahmen, die aus dem Frühkapitalismus stammen und von Zeit zu Zeit immer mal wieder in Mode kommen. Oder er führt effektiv, indem er die Maßnahmen anwendet, die gerade durch die „Führung 4.0“ als ganz neu wieder ins Bewusstsein kommen. Die Methoden sind allerdings alt, was nicht gegen sie spricht – sie haben sich bewährt.

Auf jeden Fall, ist es so: wenn ein Chef mit einem Mitarbeiter spricht, so definiert der Chef das Ziel des Gesprächs – es ist das Ziel der Firma. Er kann den Mitarbeiter fachlich beraten. Aber er löst nie – niemals – die privaten Probleme seiner Mitarbeiter. Er kann ihnen den Rahmen schaffen, damit sie ihre privaten Probleme angehen und lösen können, aber er hält sich aus der Lösung heraus. Alles andere wäre übergriffig

Die Aufgaben des Coachs

Ganz anders der Coach. Wenn ein Klient zu ihm kommt, verbringt er erst einmal viel Zeit damit, den Klienten dazu zu bringen, das Ziel des Coachings sauber zu definieren. Er selbst definiert das Ziel nicht! Ein guter Coach hat auch keine Vorstellung von den Problemen des Klienten oder dessen Lösungen. Er begleitet den Klienten absichtslos zu dessen Lösungen. Fremde Interessen, weder die seines Arbeitgebers, ja noch nicht einmal die seiner Familie, spielen bei der Lösung eine Rolle, nur die des Klienten ist entscheidend. Es gibt beim Thema keine Begrenzung, es kann privat, familiär oder geschäftlich sein. Nur wenn der Coach den Klienten in eine bestimmte Richtung zu lenken versucht, wird auch sein Verhalten übergriffig.

Fazit

Der Chef kann also Berater, Mentor oder Mediator sein – nie aber Coach. Private oder familiäre Probleme seines Mitarbeiters kann sich der Chef zwar anhören, zu deren Lösung wird er selbst aber nichts unternehmen. Selbst wenn er es wollte, selbst wenn er denkt, eine Lösung zu haben – er darf persönlich nicht beraten. Er darf allerdings – wenn das Verhalten des Mitarbeiters geschäftsschädigend zu werden droht, muss er es sogar – Rahmenbedingungen schaffen, damit der Mitarbeiter sein Verhalten ändern kann. Er darf den Mitarbeiter also zum Coach oder zum Therapeuten schicken, und er muss ihm dann auch die Gelegenheit geben, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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