Frühwarnsystem im Projekt: Viele Nasen riechen den Braten!

Frühwarnsystem im Projekt: Viele Nasen riechen den Braten!

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Sie haben das Projekt akribisch geplant, sie verfolgen seinen Fortschritt aufmerksam, auch Ihre Mitarbeiter und Auftraggeber scheinen zufrieden zu sein. Trotzdem werden Sie das Gefühl nicht los, dass irgendetwas schief läuft. Aber nachdem sich Ihr Verdacht nicht konkretisieren lässt, halten Sie ihn für Einbildung: Es wird schon alles klappen, und Gefühl, na ja, „Gefühlchen hat jedes kleine Mädchen“. Und dann knallt es – plötzlich und völlig unerwartet.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Projekte sind komplex und haben einen chaotischer Projektverlauf.
Denn komplexe Vorgänge lassen sich nicht mit Zahlen steuern, sie haben die Tendenz, chaotisch zu werden. Eine kleine, kaum merkbare Abweichung in den Randbedingungen führt zu völlig unerwarteten Ergebnissen. Deshalb ist bei Projekten die Erfahrung Gold wert: wenn man schon vieles gesehen hat, vertraut man auf seinen Instinkt, man „riecht den Braten“, bevor er verkohlt. Dann kann man gegensteuern, bevor sich die Störung zur Katastrophe auswächst.

Schon bei Projektbeginn sollte man auch auf die Erfahrung seiner Mitarbeiter setzen. In meinem Buch „Projekte sind auch nur Menschen“, habe ich beschrieben, wie das geht. Sagen Sie Ihren Mitarbeitern, sie sollen sich vorstellen, man wäre ein Jahr weiter und das Projekt würde katastrophal laufen. Dann bitten Sie jeden von ihnen, einen kurzen Bericht zu schreiben, wie es dazu gekommen ist. Sie werden über die Phantasie Ihrer Mitarbeiter erstaunt sein, und vor allem können Sie nun diese Probleme besonders betrachten und Gegenmaßnahmen ergreifen. Gibt es ähnliche Techniken, die man im Projektverlauf einsetzen kann?

Chaotischer Projektverlauf? Dann wird ein Frühwarnsystem nötig

Dr. Georg Krause hat beschrieben, wie in ein Change-Projekt, in dem ein Werk organisatorisch umgestaltet werden sollte, ein Frühwarnsystem eingebaut wurde. Eine Blitzumfrage wurde organisiert und regelmäßig durchgeführt, bei der alle Betroffenen regelmäßig ihre Meinung zu bestimmten Aspekten des Projekts äußerten. In diesem Fall war es vor allem die Güte der Kommunikation und der Mitbestimmung. Es waren nur vier Fragen, die mit Schulnoten bewertet werden mussten, was wirklich kein großer Aufwand war. Die Umfrageergebnisse ließen sich in der Zeit und bezogen auf die verschiedenen Abteilungen auswerten. Das hat sich gut bewährt.

Warum sollte man so etwas nicht bei einem „normalen“ Projekt durchführen? Der organisatorische Aufwand ist relativ gering, denn Sie haben ja weniger Stakeholder, vor allem die Meinung der Projektmitarbeiter ist interessant. Sie können den Vorgang automatisieren und die Ergebnisse in eine Excel-Tabelle eintragen. So merken Sie schnell, wenn es irgendwo kracht und können gegensteuern.

Die Projektmitarbeiter, vor allem wenn sie Erfahrung haben, merken meist sehr schnell, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht. In vielen Fällen können sie aber ihren Verdacht nicht konkretisieren, oder sie trauen sich nicht, etwas zu sagen, um sich nicht zu exponieren. Wer ist schon gerne „Bedenkenträger“? Also wird geschwiegen, und die Leitung bemerkt die Probleme zu spät. Eine regelmäßige, vielleicht sogar anonymisierte Umfrage hilft hier. Die Mitarbeiter werden Hinweise geben, wenn sie nach ihrer Zufriedenheit mit dem Projektverlauf oder anderen „weichen Fakten“ gefragt werden. So nutzen Sie den Instinkt Ihrer Mitarbeiter und müssen sich nicht nur auf Ihren eigenen verlassen.

Vor der Umfrage sagen Sie Ihren Mitarbeitern ganz offen, was Sie sich davon versprechen. Hier sind ein paar Beispiele für Fragen, die mit Noten beantwortet werden können:

  • Wie gut sind Sie über den Projektverlauf informiert?
  • Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit im Team?
  • Welche Note gibt man dem Projekt „draußen“ ?
  • Wie zufrieden wird der Kunde mit dem Ergebnis sein?
  • Wie gut werden wir in der Zeit bleiben?
  • Wie gut werden wir die anstehenden Schwierigkeiten meistern können?
  • Wie zufrieden sind Sie mit dem Projektverlauf?
  • Wie gut verkraften Sie die anstehende Arbeitsbelastung?

Wie gesagt, das sind nur Beispiele. Denken Sie daran, stellen Sie nur wenige Fragen – natürlich immer die gleichen, sonst können Sie nicht vergleichen. Ihre Mitarbeiter haben Arbeit genug, sagen Sie Ihnen also, dass sie nicht lange über den Antworten grübeln sollen, sie sollen rasch, „aus dem Bauch heraus“ antworten, das aktiviert den Instinkt. Beachten Sie nicht die absoluten Zahlen, richten Sie ihr Augenmerk vor allem auf die Änderungen. Und nehmen Sie die Ergebnisse ernst, sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern darüber.

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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