Mit Fragen motivieren - aber richtig!

Mit Fragen motivieren – aber richtig!

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FragenMit Fragen motivieren oder demotivieren?

Mit den falschen Fragen kann man seine Mitarbeiter ganz schnell und einfach demotivieren – am besten mit geschlossenen Fragen, die seine Fähigkeiten implizit in Frage stellen. So in der Richtung: „Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?“ oder: „Denken Sie eigentlich zwischendurch auch einmal nach?“ Diese Fragen gehen uns auch leicht und ohne nachzudenken von den Lippen, weil wir sie seit unserer Schulzeit oft und oft gehört haben. Viel schwieriger ist es, Fragen zu stellen, die den Mitarbeiter motivieren – sogenannte Motivationsfragen. Dabei ist das eigentlich einfach: Fragen Sie respektvoll, auch wenn es schwer fällt. Denn der Mitarbeiter hatte für seine Handlungsweise einen Grund, der ihm zu diesem Zeitpunkt ganz einleuchtend erschien, auch wenn es Ihnen jetzt überhaupt nicht sinnvoll erscheint. Wenn Sie diesen Grund erfahren, können Sie nur gewinnen – Sie merken, wo Sie bei der Auftragsvergabe an den Mitarbeiter einen Fehler gemacht haben oder welche Informationen Ihre Mitarbeiter nicht hatten, obwohl diese für Sie völlig selbstverständlich waren. Sie konnten sich überhaupt nicht vorstellen, wie irgendjemand das nicht wissen konnte.

Aber das ist wieder die unterschiedliche Perspektive von Vorgesetzten und Mitarbeitern: „Meine Mitarbeiter belästigen mich mit Problemen, die ich dann innerhalb einer Viertelstunde löse. Warum lösen sie die nicht selbst? Sind sie zu dumm?“ – „Denken Sie nicht, dass Sie besonders schlau seien! Sie können die Probleme nur deshalb so schnell lösen, weil Sie mehr Informationen haben und weil Sie Anweisungen geben können, die auch innerhalb kurzer Zeit befolgt werden. Ihre Mitarbeiter haben diese Macht nicht.“

Wie geht motivierendes Fragen?

Die oben genannte Art der motivierenden Fragestellung wird in der Fachliteratur „Respectful Inquiry“ genannt. Ihr Vorgehen als Projektleiter und Fragender besteht aus fünf Teilen:

  1. Sie schlucken erst einmal die Anweisungen herunter, die Sie gerade geben wollten. Sie machen sich bewusst, dass der Mitarbeiter Fachwissen und eine andere Sicht auf das Problem hat. Sie erinnern sich daran, dass Sie durch respektvolles Fragen nur gewinnen können und nehmen sich auch in der größten Hektik Zeit für diesen Vorgang. Denn Sie wissen, dass Sie motivierte Mitarbeiter brauchen, gerade wenn es eng wird.
  2. Sie denken zuerst einmal nach, was Sie eigentlich fragen möchten. Sie betrachten die Frage, die Sie stellen möchten aus Sicht des Mitarbeiters: Wenn Sie selbst diese Frage gestellt bekämen, fühlten Sie sich dann ernst genommen oder einfach nur abgebügelt? Und ist die Frage offen? Wenn man nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann, verhindert sie jede weitergehende Diskussion. Und ist die Frage rhetorisch oder drückt sie ein Interesse an der Antwort aus?
  3. Sie stellen die Frage, nachdem Sie sie entsprechend Ihren Überlegungen umformuliert haben. Ihr echtes Interesse muss zu spüren sein.
  4. Sie hören zu, wenn die Antwort gegeben wird – nicht nebenher und mit einem Blick auf Uhr und Smartphone, sondern aufmerksam.
  5. Sie fragen, wenn nötig, weiter nach, bis Ihnen die Überlegungen Ihres Mitarbeiters klar sind. Erst dann treffen Sie auf Basis der Antworten eine Entscheidung.

Warum motivieren respektvolle Fragen?

Überlegen Sie sich, wie es Ihnen gehen würde, wenn Sie gefragt würden: „Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?“ Sie würden sich abgewatscht vorkommen. Es würde Ihnen schwer fallen, darauf eine sinnvolle Antwort zu geben, die über eine Ausrede hinaus geht. Denn Sie wüssten, dass der Fragende weder an Ihnen noch an Ihrer Antwort interessiert ist, sondern nur daran, Ihnen seine Überlegenheit und Ihre Dummheit aufzuzeigen. Was jedem bei einer solchen Frage durch den Kopf geht: „Wenn er so schlau ist, dann soll er doch seinen Sch… alleine machen! Von mir bekommt er keine Unterstützung, ich lasse ihn ins Messer laufen!“. Oder, wenn der Mitarbeiter ängstlicher ist: „Oh weih, jetzt hast Du schon wieder etwas falsch gemacht! Das nächste Mal handelst Du nur nach Anweisung!“ In beiden Fällen haben die Mitarbeiter dem Chef die Gefolgschaft aufgekündigt. Sie denken nicht mehr an das Problem oder seine Lösung, sondern nur noch daran, wie sie – mit Verlaub – ihren eigenen Hintern retten können.

Auch „Warum“-Fragen führen nicht weiter, denn die zielen in die Vergangenheit. Der so Befragte wird sich nur rechtfertigen. Es nützt Ihnen darüberhinaus nichts, wenn Sie wissen, warum er damals so gehandelt hat. Es bringt Sie nur weiter, wenn er Ihnen erzählt, wie er jetzt diese Aufgabe angehen würde. Die Lösung liegt immer in der Zukunft.

Wenn Sie dagegen ernst genommen werden, wenn der Fragende sich für die Frage und Ihre Antwort Zeit nimmt – Zeit ist übrigens im Berufsleben eine Währung, die Achtung ausdrückt – dann fühlen Sie sich für voll genommen und sind motiviert, auch in einer brenzlichen Situation die Kuh vom Eis zu holen. Wenn Sie respektvoll behandelt werden, wenn Sie an den Entscheidungen partizipieren dürfen und das Gefühl haben, für wichtig und kompetent gehalten zu werden, dann sind Sie bereit, mehr zu leisten und auch in kritischen Situationen Verantwortung zu übernehmen. Sie sind dann an der Sache interessiert und nicht mehr an der Politik. Die oben genannte Frage müsste respektvoll gestellt heißen: „Was hat Sie dazu gebracht, die Aufgabe so anzugehen?“ Und bitte, fragen Sie das interessiert und ohne ironischen oder sarkastischen Unterton. Die Art, wie gefragt oder etwas gesagt wird, ist für den Empfänger der Botschaft weit wichtiger als der Wortlaut. Deshalb funktioniert eine Frage in einer kritischen Situation nicht über E-Mail und nur sehr bedingt über Telefon. Alle Kanäle sind nur bei einem persönlichen Gespräch offen.

Es ist übrigens nur möglich, Fragen respektvoll zu stellen, wenn man auch Respekt empfindet. Und das können Sie nicht spielen, das würde Ihr Gegenüber merken. Verinnerlichen Sie deshalb, was mir mein Großvater oft gepredigt hat: „Du kannst von jedem etwas lernen, auch von einem Straßenfeger – und sei es nur, wie man einen Besen richtig hält.“ In diesem Sinne: Fragen Sie respektvoll – es könnten auch Sie zu neuen Erkenntnissen führen.

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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