Hierarchische Führung macht komplexe Zusammenhänge für die Mitarbeiter einfach und stellt Eindeutigkeit her. Sie bringt für die Mitarbeiter Sicherheit, denn sie schafft eine deutliche Beschlusslage. Sie hat sich bewährt, sowohl beim Militär als auch auf hoher See, denn der Käpten kommt schließlich direkt unter dem lieben Gott. Auf beiden Gebieten sind vor allem Situationen zu meistern, in denen die Richtigkeit einer Entscheidung erst im Nachhinein festgestellt werden kann, weil im Krieg der Feind, auf See das Wetter nicht genau genug vorhersehbar ist und in beiden Fällen die Entscheidungen schnell getroffen werden müssen.
Hierarchische Führung ist effizient, schnell, eindeutig
Trotzdem wurde in einem Bereich, der hochgradig komplex ist und schnelle Entscheidungen fordert, die Hierarchie aufgeweicht, ja zum Teil abgeschafft: In einem Verkehrsflugzeug darf und muss der Co-Pilot auch und gerade in kritischen Situationen den Kapitän auf Dinge hinweisen, von denen er glaubt, dass dieser sie übersehen hat. Das war bis Ende der 1970’er Jahre undenkbar, aber dann haben die Fluggesellschaften Ihren Crews das neue Verhalten geradezu eingebläut. Das hat viele Jahre gedauert und viel Geld gekostet, warum wurde es dennoch gemacht?
Man hat festgestellt, dass sich viele Unfälle auf menschliches Versagen zurückführen ließen, insofern, als der Kapitän Dinge übersehen hat, die der Rest seiner Crew durchaus erkannt hat. Sie hatten ihn aber nicht darauf hingewiesen, weil sie das aufgrund der damals noch strengen Hierarchie an Bord nicht gewagt hatten. Heute gibt es Unfälle aufgrund dieses Verhaltens kaum noch.
Was die Verhaltensänderung erleichtert hat
Was die Verhaltensänderung erleichtert hat, war die Tatsache, dass Co-Pilot und Ingenieur ja durchaus keine dummen Jungs oder Mädels sind, sondern die Maschine auch steuern können. Sie sind also qualifiziert, auch wenn sie in der Regel weniger Erfahrung haben.
Das war auf den alten Segelschiffen anders. Die Masse der Matrosen waren Analphabeten, sie konnten kein Schiff steuern. Aber auch da hat der Käpten seine Spezialisten bei Entscheidungen hinzugezogen. Ein Segelmacher z.B. genoss an Bord hohes Ansehen und wurde auch von den Offizieren mit „Mister“ angesprochen.
Auch beim Militär war der gemeine Soldat früher nichts anderes als Kanonenfutter. Er hatte zu gehorchen und wurde nicht gefragt. Ihm fehlte völlig der Überblick in der Schlacht. Bei heutigen Elitetruppen ist das anders, sie bestehen aus hervorragend ausgebildeten Spezialisten, und sie werden bei Entscheidungen nicht übergangen. Natürlich muss auch der Führer einer solchen Einheit schließlich die Entscheidung treffen, aber er trifft sie zusammen mit seiner Truppe, nicht über ihre Köpfe hinweg. Erleichtert wird ihm dieser Führungsstil dadurch, dass seine Soldaten durchaus wissen, wann die Schnelligkeit einer Entscheidung wichtiger als ihrer Richtigkeit ist, wann sie also die Klappe zu halten haben.
Was ist nun der Vorteil, wenn Hierarchien auf diese Weise aufgeweicht werden? In streng hierarchischen Organisationen klappt die Kommunikation von oben nach unten hervorragend, allerdings lässt die von unten nach oben stark zu wünschen. Gerade die ist aber für ein funktionierendes Fehlermanagement unabdingbar, sowohl für das Fehlerhandling als auch für die Fehlervermeidung. Man kennt das ja: Der Überbringer schlechter Botschaften wird geköpft und der Warner als „Bedenkenträger“ niedergemacht. Leider ist das auch in modernen Unternehmen immer noch gang und gäbe.
Wie ist das nun bei Ihnen im Projekt? Haben Sie als Mitarbeiter dumme Jungs und Analphabeten, oder ist jeder von ihnen auf seinem Gebiet ein Spezialist? Ich bin überzeugt, Sie stimmen eher der zweiten Beschreibung zu. Also nutzen Sie Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter! Hören Sie Ihnen zu und nehmen Sie sie ernst! Lassen Sie sich von Ihren Mitarbeitern (mögliche) Fehler schildern, und wenn Sie sie selbst gemacht haben – beweisen Sie Größe und geben Sie sie zu!
Funktionierendes Fehlermanagement muss vorgelebt werden
Ein funktionierendes Fehlermanagement kann nicht angeordnet werden, es muss vorgelebt werden, und zwar von Ihnen. Sie sollten Leute, die Sie auf Fehler hinweisen, belohnen, auch wenn diese die Verursacher waren. Die Mitarbeiter, die Fehler absichtlich verschweigen, sollten allerdings Ihren gerechten Zorn zu spüren bekommen. Und wenn es gar nicht klappen will, weil „der Rest“ Ihrer Firma streng hierarchisch ist und Ihre Mitarbeiter misstrauisch sind? Dann etablieren Sie eine Meckerstunde oder einen anonymen Meldekasten oder etablieren Sie einen Advocatus Diaboli, der nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht hat, auf mögliche Fehlerquellen hinzuweisen.
Eine schwierige Aufgabe? Stimmt, ein solcher Paradigmenwechsel ist nicht einfach. Darf ich Sie auf Ihrem Weg begleiten? Dann kontaktieren Sie mich bitte.
PS: Die vertrauensvolle Kommunikation von unten nach oben ist nicht nur für das Fehlermanagement unabdingbar. Sie wird z. B. auch zur Ideenfindung und in kreativen Prozessen benötigt. Und Burnout-gefährdet sind vor allem Mitarbeiter, die nichts sagen, nichts zu sagen haben und bei ihrer Arbeit nicht mitbestimmen dürfen. Es gibt also mehr als einen Grund, die streng hierarchische Führung kritisch zu hinterfragen.