Start der vierteiligen Reihe zu Systemische Strategieentwicklung
Dieser Blogbeitrag ist der erste einer vierteiligen Reihe, die sich mit Strategieentwicklung und ihrer Anwendung in Projekten beschäftigt. Dabei dient der erste Teil der Begriffsbestimmung, der zweite beschäftigt sich mit der Strategieentwicklung in Unternehmen, der dritte beschäftigt sich mit dem Vorgehen bei der Strategieplanung und der vierte beschäftigt sich mit den Methoden der Strategieentwicklung.
Begriffsbestimmung
Die Strategie (wörtlich: Feldherrenkunst) bezeichnet eine längerfristige Planung eines Vorhabens. Beim Militär Ist dieses Vorhaben der Sieg in einem Krieg. Hier steht die Strategie zwischen der übergeordneten Politik und der untergeordneten Taktik. Verliert der Feldherr die strategischen Ziele aus den Augen, mag er zwar Schlachten gewinnen, erringt aber mit ihnen Pyrrhussiege und verliert letztlich den Krieg.
In der Wirtschaft dient die Strategie zur Festlegung und Erreichung langfristiger Unternehmensziele. Ihr übergeordnet sind Visionen oder Unternehmensleitbilder, ihr nachgeordnet ist die taktische und die operative als mittel- und kurzfristige Planung.
Die traditionelle Strategieentwicklung steht heute in der Kritik, da sie von der grundsätzlichen Planbarkeit langfristiger Entwicklungen ausgeht, was sich als falsch herausgestellt hat. Dennoch ist strategische Planung unwidersprochen notwendig zur Zukunftssicherung eines Unternehmens. So vermeidet man heute diesen Nachteil, indem man zur Strategieentwicklung einen systemischen Ansatz wählt.
Der Unterschied zwischen traditioneller und systemischer Strategieentwicklung
Die traditionelle Strategieentwicklung ist für die Führung eines Unternehmens deshalb attraktiv, weil sie davon ausgeht, dass mit einfachen Interventionen die angestrebten Ziele erreicht werden können, dass also ein linearer Zusammenhang zwischen Intervention und Ergebnis besteht. Man hat aber inzwischen erkannt, dass dieser Zusammenhang auch aufgrund von Rückkopplungsprozessen nichtlinear ist, das einfache Ursache-Wirkungs-Modell funktioniert also nicht.
Nichtlineare Systeme haben einen Hang zur Selbsterhaltung und zur Beibehaltung des Status Quo. Weiterhin muss die Führung als Teil des Systems gesehen werden, sie ist vor Wechselwirkungen mit dem System nicht gefeit. Dies war der Führung lange nicht bewusst, der Einfluss des Unternehmens auf die Führenden wurde lange unterschätzt.
Lebende soziale Systeme wie ein Unternehmen sind immer nichttrivial und somit auch nicht steuerbar, sondern müssen geleitet werden. Mit einfachem Management ist ein Unternehmen auf Dauer nicht zu führen. Diese Tatsache hat erheblichen Einfluss auf die Strategieentwicklung, denn das System mit seinen selbsterhaltenden Strukturen bestimmt letztlich selbst, ob und in welchem Umfang es strategischen Richtlinien in der gewünschten Form Folge leistet. Das Verhalten des Systems wird mehr durch seine Erfahrungen, seine Geschichte, seine gelebten Prozesse bestimmt als durch seine Strategen.
Auf diese Tatsache nimmt die Systemische Strategieentwicklung Rücksicht. (siehe auch: „Was bedeuten systemische Grundsätze?“) Jede Strategieentwicklung ist und bleibt eine originäre Führungsaufgabe und kann nicht an externe Berater oder interne Stäbe delegiert werden. Hier ist das Top-Management in der Verantwortung, es muss sich am Diskussionsprozess prominent beteiligen.
Eine prominente Beteiligung heißt aber nicht, dass nur dieser Personenkreis diskutiert. Man wird bei systemischer Betrachtung dieser Aufgabe weitere Funktions- und Wissensträger hinzuziehen, um das verteilte Wissen des Unternehmens zu nutzen. Dieses Wissen wird bei einsamen Beschlüssen oder der Beauftragung einer Unternehmensberatung missachtet. Weiterhin erzeugt man eine stärkere Akzeptanz, indem man die strategischen Entscheidungen auf ein breiteres Fundament stellt. Wird die Strategieentwicklung so verstanden, ist sie außerdem integraler Bestandteil des Führungsgeschehens und keine lästige Sonderaufgabe, die zusätzliche Arbeit bringt.
Was beim Strategieentwicklungsprozess sichergestellt sein muss
Die erste Aufgabe ist es dabei, die Kommunikationsfähigkeit des Strategieentwicklungsteams sicherzustellen. Es muss gewährleistet sein, dass alle Teilnehmer gehört werden, nicht nur formal, sondern inhaltlich, und vor allem, wenn ihre Meinung von der des Top-Managements abweicht. Abweichende Meinungen werden bis heute von vielen Führungskräften als Widerstand gesehen, den es zu brechen gilt. Dabei ist Widerstand ein Angebot zur Mitarbeit, das es klug zu nutzen gilt. Werden von einem System die Worte der Führung klaglos und kommentarlos geschluckt, haben die Mitglieder des Systems innerlich gekündigt. Wird ihnen sogar unkritisch applaudiert, haben die Mitglieder Angst.
Strategische Diskussionen brauchen Zeit, darin unterscheiden sie sich vom operativen Geschehen, das meist unter Zeitdruck steht. Hier muss es auch erlaubt sein, Fragen zu stellen, für die es (noch) keine Antworten gibt. „Wahrheiten“ dürfen und müssen infrage gestellt werden. Fehlendes Verständnis oder fehlendes Wissen darf nicht überspielt werden, offene Fragen müssen geklärt werden. Systemische Strategieentwicklung braucht also eigene Kommunikationsräume und –formen, ohne die sie im Tagesgeschäft untergehen würde. Unkonventionelle Ideen haben hier ihren Freiraum. Das Unternehmen darf auch durchaus einmal „von außen“ betrachtet werden, nur so sieht man die „Blinden Flecken“ (im Sinne des Johari-Fensters) einer Organisation.
Die durch die systemische Strategieentwicklung investierte Zeit ist als wertvolle Investition in die Zukunft zu sehen. Sie hat einen höheren Wert als eine neu beschaffte Maschine, denn diese ist ohne tragfähige Strategie wertlos. Der Strategieentwicklungsprozess ist auch eine Gelegenheit, die eigene Überzeugungen und Grundannahmen sowie die unternehmensspezifischen Glaubenssätze zu überprüfen.
Gerade dieser Vorgang ist nicht leicht und emotional fordernd. Aber letztlich geht es darum, noch nicht erkannte Entwicklungen, die „Schwarzen Schwäne“, aufzudecken und das Unternehmen darauf vorzubereiten. („Schwarze Schwäne“ sind unvorhergesehene und unwahrscheinliche Ereignisse, die man bei der Planung nicht ins Kalkül zieht, die allerdings einen hohen Einfluss haben, wenn sie auftreten.) Dazu sind die Diskussionen achtsam zu führen und den Überlegungen angemessen Raum zu bieten.