Ein konfliktfreies Projekt oder gar ein konfliktfreies Unternehmen wird immer ein frommer Wunsch bleiben. Auch mit Betroffenheitsfloskeln lassen sich keine Konflikte entschärfen, vermeiden, noch zu lösen. So müssen wir uns fragen, wann sie auftreten und warum. Und wenn ein Konflikt aufbricht, was wir dann tun können. Denn Konflikte sind kontraproduktiv und deshalb teuer für das Unternehmen.
Es gibt Abteilungen, in denen es ständig „knallt“, und andere, in denen selten Konflikte auftreten. Klar, es gibt Abteilungen, in denen der Chef durch Bossing und andere Techniken die Mitarbeiter gegeneinander aufhetzt und nach der Devise handelt: „Teile und herrsche!“ Aber von solch krankem Vorgehen wollen wir hier nicht sprechen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass sich beide Abteilungsleiter bemühen, Konflikte zu vermeiden und zu bereinigen, gibt es Unterschiede. Warum ist das Konfliktpotential in der einen Abteilung trotzdem höher als in der anderen?
Wann treten Konflikte auf?
Konflikte treten auf, wenn Bedürfnisse nicht befriedigt werden, und ein wichtiges Bedürfnis eines jeden Mitarbeiters ist Anerkennung – durch den Chef und durch Kollegen. Wenn Anerkennung fehlt, fangen die Kollegen an, als Ersatz nach Status und Macht zu streben, es kommt also zu Rangkämpfen. Status und Macht ist aber nicht das Primärbedürfnis, obwohl es von außen betrachtet durchaus so aussieht und selbst die Mitarbeiter das nicht sehen. Und kommt es dann über Machtfragen zu Konflikten, läßt sich bei den Beteiligten ein Rückfall in frühere Stadien bemerken. Die Transaktionsanalyse zeigt auf, dass die Beteiligten dann entweder in den Zustand des rebellische Kind-Ichs oder des kritisch Eltern-Ichs verfallen. Nicht umsonst sieht deshalb ein solcher Streit von außen „kindisch“ aus. Mit einer Ermahnung („Nun benehmt Euch mal wie Erwachsene!“) bekommt man die Streithähne jedenfalls nicht mehr auf den Boden der Wirklichkeit zurück, denn eine solche Ermahnung spricht das Kind-Ich an, was man ja gerade vermeiden möchte. So einfach ist es also nicht. Auch den Konflikt zu unterdrücken („Nun gebt Euch mal die Hände und vertragt Euch wieder!“) nutzt nichts, denn dadurch wird der Konflikt auf eine tiefere Ebene gedrückt, aus der heraus er später bei (un)passender Gelegenheit aufbricht.
Wie kann man Konflikte entschärfen?
Ein Konflikt braucht Raum, er will als Konflikt anerkannt und gesehen werden. Deshalb ist es für Sie als Leiter besser, nicht sofort zu reagieren. Bei jedem Konfliktmanagement geht es darum, vom Reagieren zum Agieren zu kommen, und das geht am besten durch Verzögerung. Dadurch gibt man der Ratio Zeit, wieder die Herrschaft über die Triebsteuerung zu erreichen. So heizt man die Spirale der Konfliktsteigerung nicht weiter an. Und dann ist gewaltfreie Kommunikation gefragt. In den dort geforderten Ich-Botschaften sagt man klar und deutlich seine Meinung und kann durchaus jemanden in seine Schranken verweisen. Gewaltfreie Kommunikation heißt nämlich nicht „Jetzt lieben wir uns alle und sind nett zueinander!“ Sie wird zwar gerne so verstanden, aber das ist falsch, denn sie ist durchaus kraftvoll und durchsetzungsfähig – nur eben gewaltfrei.
Ist eine Abteilung oder eine Gruppe zerstritten, ist es allerdings schwierig, sie wieder zu erwachsenem Handeln zurückzubringen. Appelle helfen da nichts, es gilt der erste systemische Grundsatz: „Was ist, darf sein!“ Wie oben bereits gesagt, muss man den Konflikt als existent anerkennen. Dann allerdings kann man mit provokativen Fragen den Blick der Beteiligten auf die Zukunft lenken: „Wenn wir genau so weiter machen, was glauben Sie, wo wir in … Monaten sind?“ Jetzt müssen die Mitarbeiter nachdenken, dadurch schalten sie ihr Gehirn wieder ein.
Im Konfliktfall ist es hilfreich, die Selbststeuerung zu stärken – die eigene und die des oder der Anderen. Wenn das nicht gelingt, haben die Konfliktparteien eine eingeschränkte Wahrnehmung, selektiv und deformiert. Und sie haben ein verarmtes Verhaltensrepertoire, es gibt nur Angriff, Flucht oder Erstarrung. Unsere Möglichkeiten gehen aber im Normalfall weit über das hinaus.
Und wie kommt es erst gar nicht zum Konflikt?
Und wie können Sie vermeiden, dass aus Ihrer Abteilung, ihrer Gruppe, Ihrem Projekt ein pöbelnder Barbarenhaufen wird? Wie können Sie Konflikte entschärfen? Ganz einfach: Geben Sie Ihren Leuten ehrliche und ernst gemeinte Anerkennung. Nehmen Sie sich dazu die Zeit, die es braucht, und machen Sie es nicht via E-Mail, sondern persönlich, von Mensch zu Mensch. Diese Gespräche sind wichtiger als irgendeine Sitzung, in der sich jeder nur selbst beweihräuchert. Und nehmen Sie Ihre Mitarbeiter ernst, was auch bedeutet, dass Sie Ihnen angemessen Verantwortung und Einfluss geben – und schon hören die Machtkämpfe auf (nicht direkt, die Leute müssen sich auch erst an den neuen Führungsstil gewöhnen!)
Und wenn gar nichts mehr geht? Dann holen Sie sich professionelle Hilfe, intern oder extern. Ja, das ist nicht billig, doch eine Gruppe von Leuten ins Chaos laufen zu lassen, ist erheblich teurer. Und übrigens: auch ich unterstütze Sie gerne!