„Kennen Sie sich?“ – „Na klar, ich lebe schließlich schon jahrelang mit mir zusammen! Ich kenne mich in- und auswendig!“ – „Wirklich?“
Es gibt Eigenschaften und Verhaltensweisen, die uns nicht bewusst sind, Teilaspekte unserer Persönlichkeit, die wir verdrängt oder nie wirklich kennengelernt haben. Trotzdem treten sie in Erscheinung. Andere kennen sie nur zu gut, nur wir selbst sehen sie nicht (siehe auch: Johari-Fenster). Diese unbekannte Seite in uns führt dazu, dass wir nicht authentisch wirken.
Nun ist Authentizität an sich kein Wert. Jemand kann auch völlig authentisch ein – mit Verlaub – Arschloch sein, durch seine Authentizität wird sein Verhalten trotzdem nicht erträglicher. Aber Authentizität, das heißt auch unser Wissen um unser eigenes Verhalten und unsere dunkle Seite, ist der erste Schritt zu einem erträglichen Miteinander.
Woher es kommt, dass wir bestimmte Persönlichkeitsanteile von uns nicht kennen, soll hier nur in zweiter Linie interessieren. Viel wichtiger ist, wie wir den Zugang zu unserer dunklen Seite, zu unserem blinden Fleck finden.
Es gibt einen psychologischen Abwehrmechanismus, genannt Projektion. Wenn wir den verstanden haben, können wir unsere Schattenseiten eher erkennen und mit ihnen klar kommen.Wir lernen dann auch die unbekannten oder verdrängten Seiten unserer Persönlichkeit kennen, ohne sie abzuwerten. Was wir nämlich an uns unbewusst ablehnen, ist genau das, über das wir uns bei anderen aufregen. Umso mehr wir uns über ein bestimmtes Verhalten einer anderen Person aufregen, umso weniger können wir auf uns selbst blicken. Ein Blick auf sich selbst ist dann auch nicht mehr nötig, denn wir haben den Fehler schließlich bei jemand anderem verortet. Leider schränkt vor allem das, was unbewusst ist, unsere Handlungsfreiheit am stärksten ein. Ein Zaun, den ich nicht sehe, den ich aber trotzdem nicht durchbreche, schränkt mich mehr ein als ein sichtbarer Zaun, denn gegen den kann ich etwas tun.
Weil Projektionen so gut funktionieren, ist es hilfreich zu fragen, was wir von den Eigenschaften eines anderen Menschen, den wir ablehnen, in uns selbst finden können. Denn über was ich mich bei anderen aufrege, ist oft mein eigener Schatten. Durch diesen Blick auf uns selbst finden wir unsere verdrängten Eigenschaften, denen wir auf andere Weise nur schwer auf die Spur kommen können. Wenn wir es schaffen, diese Projektion zu erkennen, verliert sie an Kraft und schränkt uns nicht weiter ein. Dann können wir auch die Sichtweise auf uns (und auch auf andere) ändern. Der Zaun wird sichtbar und wir können ihn durchschneiden – wenn wir wollen.
Wenn wir es geschafft haben, eine bisher verdrängte Eigenschaft anzunehmen, werden wir reicher in unserem Verhalten. Wir haben dann unseren Handlungsspielraum erweitert und wirken authentischer. Die eigene dunkle Seite anzunehmen heißt auch, nicht immer Wunderwoman oder Superman spielen zu müssen. Das macht einen Vorgesetzten, aber auch einen Kollegen menschlicher. Denn er hat seine dunklen Seiten anerkannt, die Mitarbeiter und Kollegen müssen nicht mehr gegen Mauern anrennen, mit denen er sich zu schützen versucht hat.
Schauen Sie also genau hin, wenn Sie sich über jemanden ärgern: Über was ärgern Sie sich konkret? Was ist das für ein Verhalten, das Sie auf die Palme bringt? Was ist das positive an der Eigenschaft, über die Sie sich ärgern? Und haben Sie diese Eigenschaft bei sich selbst verdrängt? Am besten, Sie können mit jemandem darüber sprechen. Eine zweite Sicht auf die Dinge macht das Erkennen leichter, wenn Sie bereit sind, hinzuhören. Ein Freund kann ihnen privat helfen, professionell hilft Ihnen ein Coach.
Wenn Sie weitere Unterstützung durch ein Coaching wünschen, kontaktieren Sie mich einfach telefonisch oder per E-Mail.