Burnout als Zeichen von Kompetenz

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Letztens habe ich gelesen, dass Soldaten inzwischen so trainiert werden sollen, dass sie sogar extrem traumatisierende Erlebnisse als Herausforderung begreifen, aus denen sie Selbstbewusstsein und innere Stärke gewinnen können. Ein Leben ohne diese Grenzerfahrungen soll von den Soldaten als  uninteressant und langweilig empfunden werden. Die Politik braucht dann nicht mehr für Frieden sorgen, denn sie hat ja Soldaten, die sich psychisch kaum „abnutzen“, und physisch werden sie durch moderne Rüstungen und den Kampf via Drohnen unverwundbar gemacht.

Resilienz stärken, ist das Ihre Pflicht?

Aber auch Arbeitgeber sehen es heute nicht mehr als ihre Pflicht an, erträgliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Sie sehen es als die Pflicht des Arbeitnehmers an, seine Resilienz so zu stärken, dass er selbst unerträgliche Arbeitsbedingungen klaglos wegstecken kann. Denn es wird behauptet, dass jeder, der sich ein bisschen Mühe gibt und fleißig entsprechende Weiterbildungen besucht, seine Belastbarkeit – die wird dann Resilienz genannt – beliebig steigern kann. So lange, bis er auch extrem belastende Arbeitsbedingungen mit maximaler Unsicherheit und höchster Stressbelastung als erfüllende Herausforderung begreift. Manche Arbeitnehmer tragen sogar ihre überstandenen Burnout-Episoden wie Orden vor sich her und wollen damit den Einsatz für ihre Firma beweisen.

Das zeigt wieder die Tendenz auf, Gewinne zu privatisieren, denn am Rande der Erschöpfung arbeitende Mitarbeiter sind höchst effizient (wenn auch nicht effektiv). Risiken und Verluste werden sozialisiert, denn die Kosten langwieriger Burnout-Behandlungen tragen wir alle.

So dient die Forderung nach der Resilienz stärken des Mitarbeiters als Vorwand, mit einem beherzten „Weiter so!“ die kranken Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen nicht ändern zu müssen. Der Einzelne muss nur dickhäutig genug sein, um selbst unerträgliche Zustände ertragen zu können. Der zynische Nazispruch „Was uns nicht tötet, macht uns nur härter!“ wird zur Maxime unternehmerischen Handeln erhoben.

So haben Arbeitnehmer dann ein schlechtes Gewissen, wenn sie frühkapitalistische Verhältnisse wie Erreichbarkeit rund um die Uhr und auch im Urlaub, nicht ertragen. Dieses Gefühl der Unfähigkeit wird zum zusätzlichen Stressor und senkt die Leistungsfähigkeit weiter.

Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe – Resilienz ist nicht die Unfähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen. Überlegen Sie sich also genau, was Sie bereit sind zu tragen und zu ertragen. Ich helfe Ihnen gerne bei Ihren Überlegungen. Kontaktieren Sie mich bitte bei Bedarf.

Denn Sie haben die Wahl – immer!

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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