Ist Empathie in der Führung schädlich?

Ist Empathie in der Führung schädlich?

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Ist Empathie als Führungskompetenz schädlich? Lassen Sie sich nicht verwirren!Schadet Empathie als Führungskompetenz?

Letztens habe ich einen Artikel in der „Wirtschaftswoche“ gelesen, der mich erschüttert hat. Er soll aufzeigen, dass Empathie als Führungskompetenz schädlich für das Miteinander und vor allem für die Führung sei. Ich weiß nicht, ob die Forschung, auf den sich der Artikel bezog, tatsächlich so dünne Bretter gebohrt hat, oder ob der Journalist der große Simplificateur war. Jedenfalls waren die 10 Thesen, die die Aussage begründen sollten, so platt wie falsch.

Weil ich solche Artikel für ausgesprochen schädlich halte – wenn wir uns nicht um unsere Mitmenschen kümmern, wird weder die Welt noch der Umsatz besser – möchte ich hier die 10 Thesen und meine Gedanken dazu darlegen.

10 Thesen & Gedanken

  1. Empathie laugt aus
    Klar, es ist anstrengender jemandem zuzuhören als ihn einfach niederzubügeln. Ja, Führen ist Arbeit, und wer keine Anstrengung in die Führung stecken möchte, soll eine Fachlaufbahn anstreben. Und Führen ohne Empathie, also ohne genaues Hinhören, geht nicht, das ist Verwalten.
  2. Empathie macht einsam
    Diese These behauptet, dass jeder Mensch nur ein bestimmtes Maß an Empathie zur Verfügung hat, und wenn das aufgebraucht wird, dann ist Schluss. So hat man keine Empathie mehr für Familie und Freunde und schließlich läuft die Frau weg.
    Ich behaupte: Wer einen großen Teil seines Tages keine Empathie als Führungskompetenz zeigt, zeigt auch zuhause im privaten keine. Empathie hat etwas von einem Muskel, wenn man ihn nicht trainiert, lässt die Leistung nach.
  3. Empathie erzeugt Abwehr
    Diese These behauptet, dass jeder Vorgesetzte, der empathisch ist, automatisch ungerecht wird, weil er einen Mitarbeiter, der gerade eine schwere Zeit durchmacht, entlastet. Das Mitgefühl belaste also andere Mitarbeiter.
    Ich behaupte, dass jeder Mitarbeiter einmal Mitgefühl nötig hat, das gleicht sich also aus. Klar, der Vorgesetzte ist kein Therapeut, das wäre auch übergriffig. Ein bisschen Verständnis zeigen tut trotzdem gut, und auch, dass man sich für seine Mitmenschen interessiert.
  4. Empathie behindert Frauen
    … denn Frauen sind von Natur aus empathischer und da sieht man ja, was sie davon haben: keine Karriere. Ich denke, der Autor hat sich keine Gedanken gemacht, wer oder was Frauen im Beruf wirklich am Aufstieg hindert. Die Aussage ist Neo-Macho-mäßig: „Frauen sind von ihrer Natur her empathisch, und deshalb können sie natürlich auch keine Karriere machen!“ Geht’s noch?
  5. Empathie manipuliert
    Das ist geistige Tiefebene: Auf jemand, den ich kenne, nehme ich mehr Rücksicht als auf andere. Deshalb sei jemand, der Rücksicht nimmt, ungerecht und jemand, der seine Mitmenschen gleichgültig behandelt, gerecht. Also zum Einen, meine Mitarbeiter sollte ich alle kennen – so viel Mühe muss sein – zum Anderen wäre dann eine Atombombe ausgesprochen gerecht – sie tötet jeden.
  6. Empathie grenzt aus
    Wenn ich für jemanden Empathie entwickele, habe ich für andere keine mehr übrig. Eine Wiederholung des 2. Punktes.
  7. Empathie begünstigt Korruption
    … denn Empathie macht ungerecht und lässt uns über Verfehlungen hinwegsehen. Das ist nochmal Punkt 5 und 6, und außerdem: Empathie hat nichts mit Seilschaften zu tun, da hat jemand etwas ganz falsch verstanden.
  8. Empathie ist kein fairer Ratgeber
    Noch mal das Gleiche in grün. Wiederholung macht die Thesen auch nicht wahrer.
  9. Empathie wird überschätzt
    Fachwissen und Intelligenz, so wird behauptet, sei wichtiger als Empathie. Dann müssten ja die Leute mit dem höchsten Fachwissen am schnellsten Karriere machen. Leider ist es aber so, dass Leute, die Karriere machen, nicht auf der Höhe ihrer fachlichen Fähigkeiten bleiben können, denn als Leiter werden andere Fähigkeiten von ihnen verlangt, Entscheidungsfreude, Durchsetzungskraft und vieles mehr. Unter anderem auch soziale Intelligenz, und ein Teil von dieser ist die Fähigkeit zur Empathie.
    Wer hat behauptet, dass man nur Empathie zum Führen braucht?
  10. Empathie fehlt der Verstand
    Diese These greift tief in die Mottenkiste alter Menschenbilder. Früher wurden Geist und Gefühl als Gegensätze verstanden, die nicht vereinbar sind. Wer also Gefühl (und Empathie sei nur Gefühl) zulässt, schalte den Verstand aus. Das ist längst widerlegt, man weiß inzwischen, dass die besten Entscheidungen gefällt werden, wenn beides gleichermaßen genutzt wird. Dazu kommt – Empathie ist nicht nur Gefühl, man braucht dafür sehr wohl den Kopf. Empathie hat nichts mit Liebe zu tun.

Lassen Sie sich nicht verwirren!

Solche platten Traktate scheinen in Mode zu kommen. So dürftig sie sind, sind sie dennoch gefährlich, denn sie vertreten die Interessen von narzisstischen Persönlichkeiten. Lassen Sie sich deshalb nicht verwirren. Hinter diesen Thesen stehen persönliche Interessen. Führungskräfte, die unfähig oder zu faul sind, sich in andere hineinzuversetzen, sollen so als Vorbild hingestellt werden. Diese Leute sind nicht offen für eigenen Emotionen, deshalb können sie die Gefühle anderer nur schwer deuten. Aber das ist ein letztes Aufbäumen einer unverbesserlichen „Alten Garde“.

Sie dürfen gerne ausprobieren, wie ich Sie auf dem Weg zur „Neuen Garde“ begleite.

Autor: Roland Scherer

Roland Scherer, Jahrgang 1951, Buchautor, systemischer Personal und Life-Coach. Ausbildung und Zertifizierung zum Psychologischen Berater und Coach. Sein Schwerpunk liegt auf lösungsfokussierte Gesprächsführung, systemisches Denken und Handeln und Aufstellungen. Er praktiziert seit Jahren im Rahmen der Begleitung seiner Klienten Systemische Aufstellungen, wobei er die Systemische Struktur-Aufstellung nach Insa Sparrer und Mathias Varga von Kibéd als besonders hilfreich erfahren hat.

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